Church meets Synagogue

Artikel des Bergsträßer Anzeiger vom 16. September 2002

Irith Gabriely gießt Emotionen in Töne
Gemeinsam mit Hans-J. Dumeier spielte sie in der Bergkirche

Dass Irith Gabriely - the Queen of Klezmer - die Spielarten dieser ursprünglichen Musik der Synagoge perfekt beherrscht, hat sie auf diversen Konzerten in der Region unter Beweis gestellt. Jetzt geht sie einen Schritt weiter: "Church meets Synagogue" ist der Titel des Experiments, in dem sie die Klangfarben der Klarinette mit denen der Orgel mischt.

In Hans-Joachim Dumeier hat sie einen musikalischen Mitstreiter gefunden, der ihr nicht nur auf den Spuren des Chassidismus folgt, sondern auf der Orgel eigene Akzente und Pointen setzt.

So hinterließ das Duo am Sonntagabend in der voll besetzten Zwingenberger Bergkirche einen starken Eindruck. Die Zuhörer des Konzerts, das der Arbeitskreis Zwingenberger Synagoge zusammen mit der katholischen und der evangelischen Kirchengemeinde organisiert hatte, waren begeistert.

Der Streifzug des Duos durch die religiösen Kulturen hielt bei der Suite of Synagogue, den Sabbatgebeten inne, präsentierte Johann Sebastian Bachs Präludium c-Moll und die Messianische Verheißung, brachte Duke Ellington mit "In a Sentimental Mood" zu Gehör und schöpfte aus den Kompositionen von Ernest Bloch, der in drei musikalischen Stücken die Anschauungen und das Lebensgefühl des Chassidismus spiegelt.

Das, was anfangs wie ein zufälliges Potpourri aus gegensätzlichen musikalischen Richtungen aussieht, erhält in der "Suite of Dance" einen roten Faden. Hier fließt der Orient bruchlos in den Okzident, die arabische Musikkultur unmittelbar in die jüdische, gefolgt von einer Sequenz, die in der christlichen Kirche beheimatet ist.

Das eine ist kompositorisch so geschickt mit dem anderen verzahnt, dass es als zwei Seiten ein und der selben Medaille erscheint. Die spielerische, zum Teil kindlich anmutende Fröhlichkeit, die bis hin zu einem lang gezogenen Trällern auf der Klarinette reicht, wechselt bruchlos in den getragenen Duktus des christlichen Kulturkreises, in dem die mächtig wirkenden Orgeltöne die Regie übernehmen.

Dass das kulturüberspannende Projekt gelang, ist nicht zuletzt dem großartigen Spiel der beiden Musiker zu verdanken. Irith Gabriely lässt rasant die Finger über die "Klaviatur" der Klarinette gleiten. Ihr Spiel stürzt die Zuhörer in ein Wechselbad der Gefühle, das von Trauer und Wehmut bis hin zur Euphorie reicht.

Sie gießt Emotionen in Töne, die in dynamischen Steigerungen, Glissandis und ständigem Tempo- und Rhythmuswechsel münden. Mit ihrem Instrument, das sie bereits seit 44 Jahren spielt, scheint sie zu einer Einheit verwachsen zu sein. Da erstaunt es nicht, dass sie selbst bei anspruchsvollen Passagen spielend durch die Publikumsreihen wandert und den direkten Kontakt zum Zuhörer sucht.

Den Draht zu den Besuchern verstärkt sie, indem sie zusätzlich jiddischen Witz und Humor einbaut. Wenn Irith Gabriely Klezmer-Musik spielt, die in den Schtetln des Ostjudentums über Jahrhunderte gepflegt wurde, dann spricht sie eine authentische Sprache. Zu keiner Zeit wirkt sie effekthascherisch oder modisch. Das wird auch äußerlich sichtbar, wenn ihre dunklen Haarlocken unter dem schwarzen Hut des Chassidimkostüms hervorschauen. Die Künstlerin ist in Haifa geboren und aufgewachsen.

Der Organist Hans-Joachim Dumeier versteht es, die rasanten Klarinettenimprovisationen mit fantasievollen Vorlagen zu bedienen und neue Klangräume zu betreten. Er ist als Kantor an der evangelischen Kirche in Michelstadt und federführender Organist der Michelstädter Musiknächte Kenner des christlichen Kulturraums. Der jüdischen Musik und Kultur widmet er sein besonderes Augenmerk.

Er ist Referent des "Center of Jewish Culture and Creativity" von Los Angeles für Westeuropa. Ausgezeichnete Voraussetzung für das Projekt Church Meets Synagogue.

moni

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