Gedenkstätte Frankfurter Großmarkthalle

Von der Großmarkthalle in die Konzentrationslager
Arbeitskreis Zwingenberger Synagoge organisierte Besuch der Frankfurter Erinnerungsstätte

Über 10.000 Jüdinnen und Juden wurden von 1941 bis 1945 von der Frankfurter Großmarkthalle in die osteuropäischen Konzentrationslager deportiert, nur 179 überlebten. Seit 2015 befindet sich im heutigen Gebäudekomplex der Europäischen Zentralbank eine Erinnerungsstätte. Der Arbeitskreis Zwingenberger Synagoge organisierte einen Besuch dieses Gedenkorts.

„Ich habe den Zug zur Großmarkthalle durch die Stadt begleitet… Rechts und links standen die Menschen und sahen stumm im dichten Spalier den Zug an“, so schilderte eine Zeitzeugin, dass der Abtransport der Jüdinnen und Juden den übrigen Frankfurtern nicht verborgen blieb. Eingelassen sind dieses und weitere Zitate in Bodenplatten auf dem letzten Wegstück zur Großmarkthalle. Dort startete die Führung von Michael Lenarz, ehemaliger stellvertretender Direktor des Jüdischen Museums, für die Gruppe von der Bergstraße. Er zeigte auf die Brücke über den Main: Bei den ersten Transporten ab Oktober 1941 hätten die Menschen dort schweigend zugeschaut, später seien die Opfer verhöhnt worden – mit Worten wie „Schlagt sie doch gleich tot, dann spart ihr die Kohlen!“

Während der folgenden 90 Minuten erfuhren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, wie an diesem Ort, wo in der oberen Ebene weiter Obst und Gemüse umgeschlagen wurden, der Terror der Gestapo (Geheime Staatspolizei) wütete. In dem 400 Quadratmeter großen Keller wurden 1000 Menschen zusammengepfercht – beklemmende, bedrückende Gefühle, 83 Jahre später in diesem kargen Raum zu stehen. „Es war die Hölle, die ganze Nacht Untersuchungen, Schreie und Schikanen ohne Ende.“ So beschrieb einer der wenigen Überlebenden Berny C. Lane, alias Werner Levi, 1998 die Situation. Flucht war zwecklos, einige der Opfer entzogen sich der Hölle durch Suizid.

Die Jüdinnen und Juden mussten Leibesvisitationen über sich ergehen lassen, um sicher zu stellen, dass niemand Gold oder Geld versteckt hatte. Sie mussten 50 Reichsmark für die „Evakuierung“ zahlen, hatten sie das Geld nicht, sollte die jüdische Gemeinde dafür aufkommen. Die letzten Vermögenserklärungen („alles dem Reich“) wurden unterschrieben, dann wurde den Opfern ihre Kennkarte ausgehändigt, fortan waren sie nur noch eine Nummer. Am nächsten Tag begann der Abtransport in die Konzentrationslager in Osteuropa, wo die meisten – wenn sie denn den Transport überlebt hatten – in den Gaskammern ermordet wurden.

Die Gestapo und die NSDAP-Gauleitung nutzten die günstige Lage der Großmarkthalle für die Massendeportation – vor allem durch den eigenen Bahnanschluss zwischen Hafenbahn und Ostbahnhof, über den die Züge der Deutschen Reichsbahn in die Konzentrationslager rollten. Unter den Gedemütigten waren auch Jüdinnen und Juden von der Bergstraße, die sich nach 1938 zunächst in der Anonymität der Großstadt sicherer fühlten, aber oft sehr beengt in Frankfurter Ghettohäusern leben mussten und von dort zu der Sammelstelle Großmarkthalle gebracht wurden.

Ende der 1990er Jahre begann die Debatte über eine Gedenkstätte und den Bau der Europäischen Zentralbank (EZB) auf diesem Gelände. Als Ergebnis des Architekturwettbewerbs wurde der Vorschlag des Wiener Architekturbüros Coop Himmelb(l)au mit zwei Türmen und der Integration der Großmarkthalle von 2010 bis 2014 realisiert. Und es blieb Raum für die Erinnerungsstätte. Konzipiert wurde diese vom Architekturbüro KatzKaiser nach enger Abstimmung der Jüdischen Gemeinde Frankfurt, der Stadt Frankfurt und der Europäischen Zentralbank. Die Räumlichkeiten im Kellergeschoss blieben bewusst so, wie sie vorgefunden wurden. Einzig wenige eindrucksvolle Zitate der Verfolgten und der Beobachter der Deportationen wurden auf Steinplatten eingraviert.

Anschließend konnten die Besucher der Bergstraße sich anschauen, wie das Eingangsfoyer der EZB in die Großmarkthalle integriert worden ist: Der Großneffe des berühmten Frankfurter Architekten Martin Elsaesser, Dr. Konrad Elsaesser, stellte Details des 1928 eröffneten imposanten, bautechnisch höchst anspruchsvollen Gebäudes vor. Als erster Vorsitzende der Martin-Elsaesser-Stiftung erläuterte Konrad Elsässer, wie Martin Elsaesser (1884-1957) sich mit der 220 Meter langen Halle 1928 internationale Anerkennung erwarb. Das langgestreckte Gebäude mit den zwei Kopfbauten erhielt eine zusätzliche horizontale Betonung durch das Fugenbild der Ziegelsteine, was noch heute von außen und innen gut erkennbar ist. Damals war dieses Bauwerk der größte stützenlose Industriebau Europas. „Berühmt wurde die Dachkonstruktion mit Zylinderschalen-Konstruktion in Eisenbeton“, so Konrad Elsaesser. Um die skeptische Bauaufsicht zu überzeugen, wurde das „Torkretverfahren“, eine spezielle Spritzbetontechnik, übrigens an einem Modell im Maßstab 1:3 erprobt.
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