NUTZUNGSKONZEPT

Das hier vorgestellte Konzept einer künftigen Nutzung des Gebäudes der ehemaligen Synagoge stellte Dr. Fritz Kilthau im Ältestenrat und Sozial-, Kultur- und Sportausschuss der Stadt Zwingenberg vor. Am 30. April 2008 beschloss dann die Stadtverordnetenversammlung die Unterstützung des Vereins bezüglich der Errichtung eines Migrationsmuseums.
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VORSCHLÄGE ZUR KÜNFTIGEN NUTZUNG
DER EHEMALIGEN SYNAGOGE
ZWINGENBERG AN DER BERGSTRASSE,
WIESENSTRASSE 5


Dieses Konzeptpapier wurde von den folgenden Vorstandsmitgliedern des Vereins
„Arbeitskreis Zwingenberger Synagoge e.V.“ erarbeitet:
- Heinz Frassine – Architekt, Verfasser des Gutachtens „Ehemalige Synagoge Zwingenberg – Bestandsaufnahme und Gutachten zur weiteren (zukünftigen) Nutzung des Gebäudes“
- Dr. Fritz Kilthau – 1. Vorsitzender des Vereins
- Kurt Knapp – ehemaliger Bürgermeister der Stadt Zwingenberg und Vorstandsmitglied
- Hanns Werner – 2. Vorsitzender des Vereins

GLIEDERUNG:
1. Absicht des Papiers
2. Geschichte der Zwingenberger Juden
3. Die Synagoge in der Wiesenstraße 5
3.1 Geschichte
3.2 Das Gebäude
3.3 Status
4. Der Verein „Arbeitskreis Zwingenberger Synagoge e.V.“
4.1 Gründung
4.2 Ziele
4.3 Bisherige Aktivitäten hinsichtlich Synagoge (Planung, Kontakte)
4.4 Bisherige Öffentlichkeitsarbeit / Veranstaltungen
5. Mögliche Nutzungen der Synagoge
5.1 Verschiedene Nutzungsmöglichkeiten
5.2 Vorschlag: Nutzung als MIGRATIONSMUSEUM („Migration aus und nach
Südhessen“)
5.3 Renovierung - Kosten und Finanzierung
6.
Ausblick
7. Kontakt

1. Absicht des Papiers
Der Vorstand des Vereins „Arbeitskreis Zwingenberger Synagoge e.V.“ möchte Interessierten und Förderern des Vereins seine Ideen zu den Möglichkeiten einer künftigen Nutzung der ehemaligen Synagoge in Zwingenberg an der Bergstraße erläutern. Es ist beabsichtigt, einen Beirat zu gründen, dessen Mitglieder sich aktiv zur Erreichung dieser beabsichtigen Nutzung einsetzen.

2. Geschichte der Zwingenberger Juden
In Zwingenberg wohnten schon seit über 600 Jahren Juden: Den ersten Nachweis findet man in einer Rechnung von 1401, die das Judengeld von 3 „Juden zu Twinginburg“ betraf – wahrscheinlich waren aber bereits in der Zeit um 1312, als Graf Diether von Katzenellenbogen die Erlaubnis zum Aufenthalt von Juden in seinem Geltungsbereich erhielt, erstmals Juden nach Zwingenberg gezogen. In alten Akten finden sich seit dieser Zeit immer wieder Hinweise auf Juden in Zwingenberg: So werden beispielsweise 1647 die 5 Juden „Gumpel, David, Joseph, Baruch und Eysig“ genannt. 1812, als die Juden auf staatliche Verordnung Familiennamen annehmen mussten, lebten in Zwingenberg die Familien David Bergsträßer, Anschel Breitenbach, Moses Mainzer und Bär Mainzer. Bis etwa 1829 zogen vier weitere jüdische Familien (David Spieß, David Rothensies, Zodik Wachenheimer und Moses Bentheim) nach Zwingenberg – insgesamt lebten damals etwa 40 Juden in Zwingenberg. Durch den starken Anstieg der jüdischen Bevölkerung in der Folgezeit beschloss man, in Zwingenberg eine eigene jüdische Gemeinde zu gründen: Bildete man bisher mit den Juden aus Alsbach, Bickenbach, Hähnlein und Jugenheim eine Gemeinde, so besaßen die damals über 70 jüdischen Zwingenberger ab 1861 eine eigene Synagoge am alten Rathausplatz. Diese Synagoge war sehr klein; 1903 wurde deshalb in der Wiesenstraße eine neue, größere Synagoge eingeweiht. In der Folgezeit verringerte sich allerdings die Zahl der jüdischen Zwingenberger wieder, im Wesentlichen durch Abwanderung: 1910 lebten noch 55 Juden in Zwingenberg, 1925 51 und 1933 40. Die Verfolgung der Juden während der Zeit des Nationalsozialismus ließ auch die Zahl der jüdischen Zwingenberger weiter schrumpfen: Etlichen gelang die Emigration ins sichere Ausland – meist USA oder Mexiko, einige zogen in größere Städte wie Darmstadt, Frankfurt oder Mannheim, wo sie sich vor den Angriffen der SA und SS sicherer fühlten. 1939 lebten in Zwingenberg noch zwei Juden: Martha und Moritz Schack aus der Obergasse 3. Moritz Schack war der Unterhändler, der einen Tag nach der Reichspogromnacht zum Verkauf der Zwingenberger Synagoge gezwungen wurde. Im Juni 1939 zogen Martha und Moritz Schack nach Frankfurt – Zwingenberg war nun „judenfrei“.
Nach bisherigen Erkenntnissen sind 16 Juden, die in Zwingenberg wohnten oder aus Zwingenberg stammten, Opfer des nationalsozialistischen Regimes geworden.

3. Die Synagoge in der Wiesenstraße 5
3.1 Geschichte
Am 11. September 1903 wurde die zweite Zwingenberger Synagoge mit einem feierlichen Umzug unter Beteiligung der Bevölkerung und der Honoratioren der Stadt und des Kreises eingeweiht; der Bau war notwendig geworden, da die erste Synagoge am alten Rathausplatz (Am großen Berg 2) zu klein geworden war. In nur 107 Arbeitstagen hatte man das neue Gebäude in der Wiesenstr.5 unter Leitung des Bauaspiranten Philipp Schuch für 17000 Mark errichtet.
Die Zwingenberger Juden waren geachtete Zwingenberger Bürger, die völlig im Gemeindewesen integriert waren. In der hiesigen Zeitung wies man auf ihre Feste hin, die in der Synagoge gefeiert wurden. Dies alles änderte sich bekanntlich mit Beginn des Naziregimes. Von den Zerstörungen der Synagogen während der Reichspogromnacht sollte das Zwingenberger Gotteshaus allerdings verschont bleiben: Im Gebäude war der Sohn der sog. Schawwesgoi (eine nichtjüdische Frau, die im jüdischen Haushalt am Sabbat die den Juden verbotenen Arbeiten verrichtet), der sich das Leben genommen hatte, aufgebahrt. Auch die Bewohner der Nachbarhäuser fürchteten im Falle einer Brandschatzung um ihre eigenen Wohnungen und bedrängten die angerückten SA-Leute, kein Feuer zu legen. Dennoch: Die Fensterscheiben der Synagoge wurden eingeworfen, die über dem Haupteingang eingemeißelten 10 Gebote und das in goldenen hebräischen Schriftzeichen eingravierte Bibelzitat „Wisse, vor wem du stehst!“ abgeschlagen. Auch die Davidsterne aus der Umfriedung wurden weitgehend zerstört. Die Kultgegenstände der Synagoge waren schon vor diesen Ereignissen nach Frankfurt/Main ausgelagert worden. Das Haus sollte später gesprengt werden, wurde dann aber vom letzten Juden in Zwingenberg, Moritz Schack, für 6000 RM verkauft.
Bis 1945 soll das Gebäude als Lagerhalle gedient haben. Nach 1964 wurden an der bis zu diesem Zeitpunkt noch im Original erhaltenen Fassade erhebliche Veränderungen vorgenommen, denen auch die großen, im orientalisch-maurischen Baustil ausgeführten Fenster zum Opfer fielen.

3.2 Das Gebäude
Da die Struktur des Zwingenberger Gebäudes bisher nicht verändert wurde, lassen sich folgende Räume eindeutig belegen:
- östlich des zentralen Treppenhauses der zweigeschossige Betsaal mit Frauenempore,
- westlich des Treppenhauses im Erdgeschoss die Schulstube und eine kleinere Wohnung,
- im Obergeschoss eine größere Wohnung.

Entsprechend der damaligen Stilentwicklung wurde die Fassade in arabisch-maurischem Stil erstellt, was sich insbesondere in den großen hufeisenförmigen Fensterbögen zeigte.
Obwohl das Gebäude der ehemaligen Synagoge heute auf den ersten Blick von außen wenig von seinem ursprünglichen Aussehen und seiner ursprünglichen Bedeutung verrät, lässt sich bei genauerem Hinsehen doch eine Vielzahl von Hinweisen entdecken, die für den Fall einer Renovierung Aufschluss darüber geben können, wie es einmal ausgesehen hat. Nach 1964 wurden an der bis dahin noch original erhaltenen Fassade erhebliche Veränderungen vorgenommen, durch die der sakrale Charakter des Gebäudes getilgt wurde. Seitdem erinnert von außen nur noch der östliche, durch Blendarkaden gegliederte Schildgiebel mit dem Davidstern in der Spitze an die ursprüngliche Nutzung des Gebäudes. Spuren von zerstörten Davidsternen an der Einfriedung wurden vom jetzigen Besitzer bei einer Fassadenrenovierung 2003 übertüncht. Im Inneren sind die Spuren vielfältiger:
- im Bereich des Synagogenraumes zeichnen sich im Fußboden der Standort des Lesepults und der Bereich des Thoraschreins deutlich ab
- der Umriss des Thoraschreins an der östlichen Giebelwand im Bereich des Obergeschosses ist klar zu sehen
- in der ehemaligen Thoranische ist eine Bemalung erkennbar. Unter der Tapete befinden sich goldene Sterne auf ultramarinblauem Grund
- das Tonnengewölbe des Synagogenraumes ist noch weitgehend in gutem Zustand
- auf der Frauenempore ist die jugendstilartig geschwungene Brüstung erhalten
- eine Wandbemalung in verschiedenen Schattierungen von blau, blau-grau und braun ist in Teilbereichen ebenfalls noch vorhanden.
3.3 Status
Heute gehört die Zwingenberger Synagoge zu den wenigen Gebäuden der ausgelöschten südhessischen jüdischen Gemeinden, welche die Zeit des Nationalsozialismus überdauert haben. Im Kreis Bergstraße sind lediglich noch fünf Synagogen als Zeitzeugen erhalten.
Seit 1988 steht das Gebäude unter Denkmalschutz. Der jetzige Besitzer hat allerdings kein Interesse an der Erhaltung des Gebäudes als Kulturdenkmal.

4. Der Verein „Arbeitskreis Zwingenberger Synagoge e.V.“
4.1 Gründung
In den Nachkriegsjahren wurde die ehemalige Zwingenberger Synagoge von der Bevölkerung nicht als Stätte der Erinnerung an die ausgelöschte jüdische Gemeinde Zwingenbergs wahrgenommen. Erste öffentliche Hinweise zum Schicksal der jüdischen Gemeinde in der Nazizeit finden sich erst in der 1974 herausgegebenen Chronik der Stadt Zwingenberg.
Versuche der politischen Gremien Zwingenbergs in den achtziger Jahren, eine Hinweistafel an das Gebäude anzubringen, um an dessen frühere Nutzung als Synagoge zu erinnern, scheiterten an der ablehnenden Haltung der Eigentümerfamilie. Diese hat sich bis heute nicht geändert.
Mitte der 90er Jahre trafen sich interessierte Bürger/innen aus Zwingenberg und Umgebung auf Anregung der jungen Zwingenberger Historikerin Claudia Becker und des Bensheimer Architekten Heinz Frassine, um über die Möglichkeiten einer künftigen Nutzung des Gebäudes zur Erinnerung an die Zwingenberger jüdische Gemeinde zu beraten. Dies führte im Juni 1999 zur Gründung des Vereins „Arbeitskreis Zwingenberger Synagoge e.V.“. Die Vereinsgründung wurde von 25 Bürger/innen, darunter dem damaligen Zwingenberger Bürgermeister Kurt Knapp, getragen. Heute zählt der Verein fast 50 Mitglieder, darunter die Stadt Zwingenberg, der Kreis Bergstraße, die Gemeinde Alsbach-Hähnlein sowie die evangelischen Kirchengemeinden Zwingenberg und Alsbach und die katholische Pfarrgemeinde Zwingenberg. Der Verein „Arbeitskreis Zwingenberger Synagoge e.V.“

hat seinen Sitz in Zwingenberg/Bergstraße und ist im Vereinsregister beim Amtsgericht Bensheim eingetragen. Der Verein ist überparteilich und konfessionell nicht gebunden.
Schon vor der Vereinsgründung bestanden bereits private Kontakte zu überlebenden Mitgliedern und Nachfahren der ehemaligen Zwingenberger jüdischen Gemeinde, die heute in den USA, Mexiko, der Schweiz und in Israel leben. Der „Arbeitskreis Zwingenberger Synagoge“ hat diese Kontakte vertieft und Besuche in Zwingenberg angeregt. Von diesen Personen wird die Arbeit des Vereins wohlwollend unterstützt und mit großem Interesse verfolgt.

4.2 Ziele des Vereins
Das wesentliche Ziel des Vereins ist die Förderung des Erhalts der ehemaligen Zwingenberger Synagoge in der Wiesenstraße 5 sowie die Herbeiführung einer
Nutzung des Gebäudes im Sinne des weiteren Vereinszweckes. Hierzu zählen insbesondere:
- Erschließung der Geschichte des Judentums insbesondere im Kreis Bergstraße und der südhessischen Region,
- Aufbau und Unterhaltung einer Dokumentation mit Kultgegenständen, Bildern und Schriften der ehemaligen jüdischen Gemeinde Zwingenberg und der südhessischen Region
- Durchführung von kulturellen und pädagogischen Veranstaltungen in der ehemaligen Synagoge Zwingenberg,
- Durchführung von Schulungen, Seminaren und Tagungen, insbesondere in den Bereichen Jugendarbeit und Erwachsenenbildung,
- Bewusstmachung der Ursachen und Auswirkungen des Antisemitismus, Abbau von Vorurteilen gegenüber Minderheiten und Menschen anderer Nationalitäten,
Förderung von Toleranz und Völkerverständigung,
- Zusammenarbeit mit anderen Vereinen und Institutionen in der Region (u.a. Synagogenverein Auerbach, Martin-Buber-Haus, Heppenheim, Gemeinde Alsbach-Hähnlein (Träger des jüdischen Friedhofs)).„Wir stellen uns vor, hier einen Ort der Toleranz und der Erinnerung einzurichten. Zum einen soll an jüdisches Leben in unserer Region erinnert werden, zum anderen eine Begegnungsstätte entstehen, an der Menschen unterschiedlicher Völker, Kulturen, Religionen und Generationen zu Veranstaltungen zusammenkommen, um hiermit einen Beitrag für ein „NIE WIEDER“ zu leisten,“ so die Satzung.

4.3 Bisherige Aktivitäten hinsichtlich Synagoge (Planung, Kontakte)
Der Vereinsvorstand hat mit interessierten Mitgliedern in einem mehrtägigen Workshop verschiedene Möglichkeiten einer zukünftigen Nutzung des Gebäudes der ehemaligen Zwingenberger Synagoge erarbeitet und bewertet – die Ergebnisse werden unter dem Punkt „5. Mögliche Nutzungen der Synagoge“ dargestellt. In etlichen Gesprächen auf Stadtebene mit Bürgermeister Dieter Kullak sowie dem früheren Bürgermeister Knapp, auf Kreisebene mit dem damaligen Landrat Norbert Hofmann sowie den Mitarbeitern Herrn Petri und Herrn Krämer, auf Landesebene mit der früheren Wissenschaftsministerin Ruth Wagner sowie Abteilungsleiter Herrn Werner Müller vom Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung wurden Möglichkeiten für eine Unterstützung unseres Vorhabens besprochen; hinzu kamen Kontakte zu weiteren Organisationen bzw. Politikern wie beispielsweise „Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V.“, Berlin (Gründungsvorsitzender Dr. Hans-Jochen Vogel), dem ehemaligen Außenminister Dr. Klaus Kinkel, dem Bundesministerium für Finanzen in Berlin, dem Bundespräsidenten Dr. Johannes Rau, dem Beauftragten der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien, Dr. Michael Naumann, sowie der Verfasserin des Buches „Synagogen in Hessen“, Professorin Dr. Thea Altaras, und des früheren Leiters des Hessischen Landesarchivs Darmstadt, Professor Battenberg.
In allen Fällen wurde eine Unterstützung unseres Vorhabens signalisiert. Vom Hessischen Landesamt für Denkmalpflege wurde für die Renovierung ein Zuschuss von 50,000 € in Aussicht gestellt.

4.4 Bisherige Öffentlichkeitsarbeit / Veranstaltungen
In der kurzen Zeit seines Bestehens hat der Arbeitskreis Zwingenberger Synagoge e.V. eine umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit durchgeführt. Mit eigenen Veranstaltungen und im Rahmen von Gemeinschaftsveranstaltungen mit den beiden Zwingenberger Kirchengemeinden sowie der Stadt Zwingenberg hat der Arbeitskreis das kulturelle Leben in der Region maßgeblich bereichert.
Die jährliche Veranstaltungsreihe „Zwingenberger Perspektiven“, gemeinsam mit der evangelischen und der katholischen Kirchengemeinde, mit Themen zu Religionen und interkultureller Zusammenarbeit, findet immer eine beachtliche Resonanz. Zu den ausverkauften Konzerten „Church meets Synagogue“ und „Kirche, Synagoge und Moschee“ in der Zwingenberger Bergkirche kamen Besucher aus ganz Südhessen und Nordbaden. Die virtuelle Präsentation in der Reichspogromnacht zerstörter deutscher Großsynagogen fand ebenfalls überregionale Beachtung. Für die Sendungen von „Radio Melibokus“, einer Schüler/innen- Initiative des Schuldorfes Bergstraße in Seeheim, gestaltete der Arbeitskreis eigene Programmteile. Im Programm des „Kultursommer Südhessen“ beteiligt sich der Arbeitskreis alljährlich mit eigenen Stadtführungen zur Geschichte der jüdischen Gemeinde und des Widerstands gegen die Nationalsozialisten in Zwingenberg. Großen Zuspruch finden die Führungen des Arbeitskreises auf dem jüdischen Friedhof in Alsbach, dem größten und ältesten jüdischen Landfriedhof in Hessen. Die beiden Gesprächskonzerte „Entartet“, mit Beiträgen aus Werken von Künstlern, die von den Nazis verfolgt worden waren, wurden finanziell vom Land Hessen gefördert.
Details zu den Veranstaltungen der vergangenen Jahre können auf der Website www.arbeitskreis-zwingenberger-synagoge.de eingesehen werden.

Der Verein hat bisher zwei Publikationen in Deutsch und Englisch herausgegeben: Zum einen ein Begleitheft zur Stadtführung durch Zwingenberg von 1933 bis 1945, zum anderen einen Führer zum Gang über den Alsbacher Judenfriedhof.
Mit einer vom Arbeitskreis herausgegeben Vereinsbroschüre wendet sich der Vorstand an potentielle Interessenten der Wirtschaft und Institutionen des öffentlichen Lebens und an die Bevölkerung in unserer Region mit der Bitte um Beitritt zum Verein bzw. finanzielle Unterstützung.

Im Rahmen der Vorstandsarbeit werden die Vereinsmitglieder, Förderer und Interessierte über die Veranstaltungen informiert. Die Website des Vereins im Internet erfreut sich beachtlicher Resonanz (meist deutlich mehr als 1000 Besucher pro Monat).

Der „Arbeitskreis Zwingenberger Synagoge e.V.“ arbeitet seit seiner Gründung eng mit weiteren Vereinen und Institutionen in unserer Region zusammen, so mit dem Internationalen Rat für Christen und Juden (ICCJ) im Martin-Buber-Haus in Heppenheim und den Synagogenvereinen in Pfungstadt, Bensheim, Hemsbach, Leutershausen (beide in Nordbaden). Unter maßgeblicher Beteiligung des Arbeitskreises Zwingenberger Synagoge entstand dabei der Landkreis und Ländergrenzen überschreitende „Arbeitskreis der Bergsträßer Synagogenvereine“, in dem gemeinsame Veranstaltungen geplant und durchgeführt werden. Einmalig war die Präsentation „Jüdische Feste an der Bergstraße“, die am 14. Oktober 2000 an den fünf Standorten der Bergsträßer Synagogenvereine vorgestellt wurde.

Der Arbeitskreis hat bereits mehrere Angehörige von heute im Ausland lebenden ehemaligen Mitgliedern der Zwingenberger jüdischen Gemeinde bei Besuchen in Zwingenberg betreut und die Besuche im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit begleitet.

5. Mögliche Nutzungen der Synagoge
5.1 Verschiedene Nutzungsmöglichkeiten
Aufgrund der sehr gut erhaltenen Gebäudestruktur könnte die Zwingenberger Synagoge für die gesamte Region Südhessen hervorragend als Anschauungsobjekt für die frühere Nutzung einer Landsynagoge durch die jüdische Gemeinde dienen. Die noch vorhandene Original-Gliederung erlaubt sowohl die Präsentation und Nutzung des ehemaligen Sakralteils wie auch des früheren Wohnteils – neben der musealen Nutzung erlaubt die Gliederung des Gebäudes allerdings auch eine sehr große Vielfalt für die weitere kulturelle Nutzung. Der ehemalige Sakralteil könnte beispielsweise für Ausstellungen, für Konzerte, Vorträge, Gesprächskreise, Tagungen, Workshops u.ä. hervorragend genutzt werden. Die kleinen Nebenräume könnten für Sammlungen, als Archiv, als weitere Ausstellungsräume, für Forschungszwecke, für Schulungen u.ä. dienen.
Der Verein „Arbeitskreis Zwingenberger Synagoge“ hat in Kooperation mit dem Architekturbüro Frassine, Bensheim, das 1998 im Auftrag der Stadt Zwingenberg eine Bestandsaufnahme und Gutachten über die Zwingenberger Synagoge erstellte, eine detaillierte Aufstellung zur möglichen Nutzung erarbeitet; die Liste umfasst eine große Anzahl Nutzungsmöglichkeiten aus den Gebieten „Geschichte, Kunst, Literatur, Musik, Bildung und Begegnung“.

5.2 Vorschlag: Nutzung als MIGRATIONSMUSEUM („Migration aus und nach
Südhessen“)
Der Vorstand des Vereins „Arbeitskreis Zwingenberger Synagoge“ diskutierte – zum Teil mit externen Experten – verschiedene konkrete Nutzungsmöglichkeiten für das Gebäude der ehemaligen Synagoge; als eine sehr interessante Variante und Erweiterung der Idee eines Museums zur Geschichte der Juden in Südhessen wird die Einrichtung eines MIGRATIONSMUSEUMS gesehen. Im Folgenden wird die mögliche Struktur für ein solches Migrationsmuseum dargestellt:

a) EMIGRANTEN AUS SÜDHESSEN INS AUSLAND

- Migrationsströme in den Osten
(Ungarn, Russland, Rumänien, Jugoslawien) vom Mittelalter bis zur Neuzeit
Beispiel: Auswanderung Odenwälder Siedler, z.B. aus Fürth, in den Banat (Guttenbrunn und Umgebung) zu Beginn des 18. Jahrhundert

- Überseeische Auswanderung nach USA, Kanada, Lateinamerika, Australien und Neuseeland (17.-20. Jahrhundert) wegen Armut, politischer Verfolgung, durch Söldner, verkaufte Soldaten und Juden
Beispiele: Emigration des Odenwälder Revolutionärs Ludwig Bogen 1853 nach Amerika, Auswanderung des Zwingenberger Christian Conrad Aßmus nach Amerika im August 1883, Emigration südhessischer Juden während des Naziregimes nach USA, Mexiko, China

Migration ins europäische Ausland wegen politischer Verfolgung, durch Arbeitswanderer, Söldner und Juden

Beispiel: Flucht Georg Büchners nach Straßburg 1835, „Kartoffeldeutsche“ (Kartoffeltysker) aus dem Odenwald wandern im 18. Jahrhundert nach Jütland (Dänemark) aus, Emigration südhessischer Juden nach Frankreich, Niederlande u.a.

b) MIGRATION FREMDER NACH SÜDHESSEN

- Sinti und Roma
(ab 15. Jahrhundert)

- Glaubensflüchtlinge (Hugenotten, Waldenser, Salzburger) als Entwicklungshelfer für Wirtschafts- und Kulturleben (hauptsächlich 18. Jahrhundert)
Beispiel: Gründung der Waldenser-/Hugenottenkolonien Hahn bei Darmstadt, Mörfelden-Walldorf, Neu-Isenburg

- Ostjuden nach Pogromen (ab 1880)

- Ausländische Wanderarbeiter (Italienische Künstler, Bauarbeiter, Kleinhändler)
Beispiel: Arbeiter im Zwingenberger Steinbruch und im Manganbergwerk in Wald-Michelbach, Straßenbau in Bensheim

- „Ausländer-Einsatz“ in NS-Deutschland
Beispiele:
KZ-Häftlinge in den Außenlagern Heppenheim und Bensheim-Hochstätten, Kriegsgefangene in Zwingenberg u.a. Orten, griechische Zwangsarbeiter in Bensheim-Auerbach

- „Displaced Persons“ nach 1945
Beispiel: DP-Lager in Bensheim

- „Gastarbeiter“ ab 1955 (Italiener, Spanier, Griechen, Jugoslawen, Türken)

- Asylsuchende

- Wanderarbeiter aus EU heute

c) DEUTSCHSPRACHIGE UND DEUTSCHSTÄMMIGE NACH SÜDHESSEN

- Vertriebene und Flüchtlinge nach dem Krieg

- Flüchtlinge und Übersiedler aus DDR

- Aussiedler aus Osteuropa

Die Bedeutung eines solchen Migrationsmuseums sieht der Vorstand des Vereins „Arbeitskreis Zwingenberger Synagoge“ im Wesentlichen darin, nicht nur die Geschichte von Migration zu vermitteln, sondern auch die Auswirkung solcher Wanderungsströme aufzuzeigen:
- Warum flohen und fliehen Menschen?
- Was bedeutet dies für die Migranten (fremdes Umfeld und Kultur, fremde Sprache, Ablehnung)?
- Was bedeutet dies für die Bevölkerung des „Gastlandes“ (demographische, wirtschaftliche und soziale Auswirkungen, kultureller Einfluss durch Sprache, Nahrung und Mode, Vorurteile)?
- Wie kann man Konflikte zwischen Migranten und der Bevölkerung des „Gastlandes“ verringern?

Das hier angeführte Konzept und seine Umsetzung müsste natürlich im Detail mit Museumspädagogen und anderen Spezialisten weiter diskutiert werden.

5.3 Renovierung - Kosten und Finanzierung
Detaillierte Informationen zu den Kosten und der Finanzierung können nach Zustimmung des Vereinsvorsitzenden eingesehen werden.

6. Ausblick
Der Verein „Arbeitkreis Zwingenberger Synagoge e.V.“ hat sich gegründet, um an die im Nationalsozialismus zerstörte jüdische Gemeinde Zwingenbergs und ihrer Mitglieder zu erinnern. Hierzu gehört nach dem Verständnis des Vereins, das Gebäude der ehemaligen Zwingenberger Synagoge wieder einer angemessenen Nutzung zuzuführen, in der – unter anderem - die Bereicherung der örtlichen Kultur durch das frühere jüdische Leben in unserem Ort verdeutlicht wird. Die Einrichtung eines „Museums zur Migration in Südhessen“ könnte dazu beitragen, dass Vorurteile gegenüber Minderheiten und Menschen anderer Religionen und Nationalitäten abgebaut werden und Toleranz und Völkerverständigung gefördert werden.

7. Kontakt
Dr. Fritz Kilthau
Scheuergasse 26
64673 Zwingenberg
Tel. 06251-72171
eMail: fritz.kilthau@web.de
Website: www.arbeitskreis-zwingenberger-synagoge.de