STOLPERSTEINE BENSHEIM/AUERBACH
Am 31. Mai 2011 wurden in Bensheim die ersten Stolpersteine für die jüdischen Opfer der NS-Zeit durch den Aktionskünstler Gunter Demnig gesetzt. Begonnen wurde am Rodensteiner Hof, Darmstädter Straße 5, dem letzten frei gewählten Wohnsitz von Hedwig und Julius Bauer.
Artikel des "Bergsträßer Anzeigers vom 1. Juni 2011
Kleine Mahnmale im Troittor
Aktion: Gestern wurden die ersten 14 Stolpersteine in Bensheim verlegt / Künstler Gunter Demnig vor Ort
Bensheim. Gestern Nachmittag wurden in Bensheim die ersten "Stolpersteine" verlegt. So nennt der Kölner Künstler und Bildhauer Gunter Demnig seine kubischen Mahnmale mit Messingplatte, die an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern sollen. Die Steine werden vor Gebäuden platziert, um namentlich auf die Schicksale der Menschen aufmerksam zu machen, die dort gewohnt haben, bevor sie von den Nazis verschleppt, vertrieben oder ermordet wurden.
Familie in den Tod getrieben
"Meistens mache ich das selbst", kommentiert der Künstler vor dem Rodensteiner Hof an der Darmstädter Straße 5. Hier lässt er zwei Gedenksteine für Hedwig und Julius Bauer ins Trottoir - eine dort ansässige Bankiersfamilie, die Mitte der 30er Jahre erst in den wirtschaftlichen Ruin und kurz darauf in den Tod getrieben wurde. Er stirbt in Buchenwald, seine Ehefrau nimmt sich das Leben. Nachdem Demnig die Steine einbetoniert hat, schweigt er einen Moment lang und poliert die Oberfläche der Gedenktafeln.
Bensheim ist Teil auf einer europaweiten Tournee, die Demnig zur Vervollkommnung seines Mahnmals hinter und noch vor sich hat. Er freut sich, dass die Stadt auf diese Weise nicht nur ein, sondern viele Zeichen gegen das Vergessen setzt.
Genau zwei Jahre sind vergangen, als sich die Stadtverordnetenversammlung für die Verlegung dieser Stolpersteine ausgesprochen hatte. Kurz darauf wurde die Arbeitsgemeinschaft "Erinnern" ins Leben gerufen mit dem grünen Stadtrat Peter E. Kalb an der Spitze. Kalb ist auch Vorsitzender der Geschichtswerkstatt Jakob Kindinger. Gestern sprach er von einer neuen, anderen Qualität des Gedenkens, die mit den Steinen Einzug hält. Neben einzelnen Mahnmalen, regelmäßigen Gedenkterminen und dem großen Stein vor der Alten Faktorei bekommt Bensheim nun auch jene kleinen Erinnerungssteine vor jenen Häusern, in denen die Nazi-Opfer ihren letzten frei gewählten Wohnsitz hatten.
Kalb dankte allen Mitstreitern in der Sache sowie Bürgermeister Thorsten Herrmann, der das lokale Projekt ins Leben gerufen und seither nicht aus den Augen verloren habe. Das städtische Archiv hatte die Arbeitsgruppe bei der Quellensuche unterstützt. Seinem Vorstandskollegen der Geschichtswerkstatt Dr. Fritz Kilthau dankte Kalb insbesondere für die biografische Aufarbeitung der Familie Bauer, deren Schicksal als erstes mit Stolpersteinen ins Blickfeld gerückt wurde. Am Rodensteiner Hof skizzierte Kilthau Leben und Tod der beiden ehemaligen Bensheimer. Anschließend wurde ein Grußwort von Joanne Epstein verlesen, einer in den USA lebenden Enkelin der Bauers.
Verbeugung vor den Opfern
"Man stolpert mit dem Kopf und mit dem Herzen", zitierte Thorsten Herrmann den Kommentar eines Schülers über Demnigs Steinprojekt. Wer genau hinsehe, verbeuge sich zwangsläufig vor den Opfern. Der Rathauschef zeigte sich von der künstlerischen Umsetzung des Bildhauers beeindruckt, ohne die vereinzelte Kritik an den Stolpersteinen zu verschweigen, die in Bensheim aufgeflackert war. "Ein solches Thema spaltet Meinungen." Er sei froh, dass ein Beginn gemacht worden sei.
Nach dem Rodensteiner Hof wurden in der Bachgasse weitere zwölf Steine verlegt. Dabei war auch der Synagogenverein Auerbach mit seinem Vorsitzenden Karlheinz Storch, der vor der ehemaligen Synagoge die Beteiligung des Vereins an dem Projekt erläuterte. An jedem Gebäude wurde über die Biografien der Opfer berichtet. Die Steine tragen die Namen von Ida und Arthur Haas, Benno und Erna Hahn, von Arthur, Bella und Renate Israel sowie von Emmy und Hermann Hahn und Elka, Ida und Auguste Hahn. tr
Bergsträßer Anzeiger
01. Juni 2011
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Wir danken Herrn Wolfgang Müller (*) vom Auerbacher Synagogenverein und dem Photographen Herrn Thomas Neu (**) für die Bereitstellung ihrer Fotos für diese Bildgalerie.
Im November 2012 wurden in Bensheim weitere 13 Stolpersteine verlegt:
- Wilhelmstraße 49: Rudolph Sternheim, seine Frau Helene und deren Schwester Clara Spanier wurden im September 1942 ins KZ Theresienstadt deportiert, wo sie 1943 an Unterernährung starben.
- Bahnhofstraße 11: Wilhelm Wolf End, seine Frau Rika und die Tochter Irma wurden in Vernichtungslagern ermordet.
- Bahnhofstraße 13: Johanna und Jakob Rosenfelder wurden im Mai 1944 in Auschwitz ermordet. Ihre Tochter Edda überlebte unter falschem Namen in Bayern, ihr Mann, der jüdische Anwalt Dr. Max Jonas starb in Theresienstadt (siehe auch Broschüre "Verfolgt - ermordet - gerettet / Die jüdische Bensheimer Familie Rosenfelder und ihre Nachfahren in der NS-Zeit).
- Rodensteinstraße 106: Frieda und Hermann Oppenheimer, Hermanns jüngster Bruder Moritz und sein Sohn Elisier wurden ins Ghetto Minsk deportiert, nachdem sie bereits 1937 zwangsweise von Bensheim nach Frankfurt umziehen mussten.