Einweihung der Gedenkstele

Gedenkstele am Bensheimer Wasserwerk

Einweihung der Gedenkstele für 3 junge Soldaten, die im März 1945 am Bensheimer Wasserwerk ermordet wurden

Im Frühjahr 2017 hatte unser Verein „Arbeitskreis Zwingenberger Synagoge e.V." die Broschüre „23. März 1945 – Altes Wasserwerk Bensheim – 3 junge Soldaten hingerichtet – Vom Fliegenden Standgericht Helm verurteilt“ veröffentlicht. Zum einen wird darin ausführlich die Lebensgeschichte des 17jährigen Hitlerjungen und SS-Anwärters Hans Richard Fuchs geschildert, der wegen angeblicher Fahnenflucht erschossen wurde, zum anderen die Geschichte des Fliegenden Standgerichts Helm, das zu Kriegsende in mindestens 56 Fällen in reinen Scheinverfahren die Todesstrafe verhängte. Weitere Informationen findet man hier.

In der Broschüre wurde angeregt, den drei ermordeten Soldaten eine Erinnerungsstätte zu errichten. Herr Bürgermeister Rolf Richter und die Stadt Bensheim haben diesen Vorschlag aufgenommen: Unter Leitung von Herrn Thomas Herborn (Fachbereichsleiter Stadt Bensheim) wurde zusammen mit Herrn Franz Apfel (Wählergemeinschaft Bürger für Bensheim), dem Kommunikation+Design-Büro Bär und Krieger (Lorsch) und Dr. Fritz Kilthau das Konzept für eine Gedenkstele entwickelt.

Diese Gedenkstele wurde nun eingeweiht am Samstag, 25. November 2017, 14 Uhr. Treffpunkt war der Bismarckbrunnen – Ernst-Ludwig-Straße/Moltke-Straße/Bismarck-Straße.

Nach der Begrüßung durch Bürgermeister Rolf Richter informierte Dr. Fritz Kilthau zum Fliegenden Standgericht Helm, zur Geschichte von Hans Richard Fuchs und zur Aburteilung der drei Soldaten. Nach dem Gang zur nahen Gedenkstele am Wasserwerk wurde von der Hinrichtung der drei Soldaten, den weiteren Verbrechen des Standgerichts und den Prozessen gegen Vertreter des Standgerichts nach 1945 berichtet. Herr Manfred Forell, Lehrer der Geschwister-Scholl-Schule Bensheim und städtischer Integrationsbeauftragter, stellte abschließend die Bedeutung der Erinnerung an diese Verbrechen für die heutige Zeit dar. Die Veranstaltung wurde musikalisch von der städtischen Musikschule Bensheim begleitet.
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Artikel des Bergsträßer Anzeiger vom 27. November 2017

Ein lange übersehenes Verbrechen
Gedenkstele: Über 70 Teilnehmer bei der Einweihung des Mahnmals am Kirchberg / Drei junge Soldaten wurden im März 1945 am Wasserwerk hingerichtet

Von unserem Mitarbeiter Thomas Tritsch

Bensheim. Ein Gedenkstein am Kirchberg erinnert an zwölf Menschen, die dort am 24. März 1945 von der Gestapo ermordet wurden. Bis zuletzt weniger bekannt war ein Verbrechen, das einen Tag zuvor ganz in der Nähe geschehen ist: Am alten Wasserwerk wurden von einem Standgericht drei junge Soldaten wegen angeblicher Fahnenflucht abgeurteilt und hingerichtet. Am gleichen Tag überquerten die Amerikaner in Gernsheim den Rhein.
Im Frühjahr dieses Jahres wurde der Fall in einer Broschüre des Arbeitskreises Zwingenberger Synagoge veröffentlicht. Darin wird ausführlich die Lebensgeschichte des 17-jährigen Hitlerjungen und SS-Anwärters Hans Richard Fuchs geschildert, der zusammen mit zwei weiteren Soldaten erschossen wurde. Jetzt erinnert eine Gedenkstele an ihre willkürliche Ermordung während der letzten Kriegstage.

Bleibende Denkanstöße
In der Broschüre hatte der Autor Dr. Fritz Kilthau angeregt, den Toten eine Erinnerungsstätte zu errichten. Dieser Vorschlag wurde von Bürgermeister Rolf Richter und der Stadt Bensheim aufgenommen und umgesetzt. Am Samstag wurde die Stele offiziell eingeweiht. Trotz strömenden Regens kamen mehr als 70 Menschen zum Bismarckbrunnen an der Ernst-Ludwig-Straße. Von dort aus ging es über die Dürerstraße hinauf zum Wasserwerk.
Lehren aus der Vergangenheit könne man nur dann ziehen, wenn man sich die zurückliegenden Ereignisse und deren Folgen vergegenwärtigt, sagte Rolf Richter am Mahnmal: Eine schlanke graue Stele aus Metall, die mitten im Wald auf ein im öffentlichen Bewusstsein lange übersehenes Verbrechen hinweist. "In Bensheim spielt Gedenkkultur eine große Rolle", so der Bürgermeister weiter. Der freistehende Pfeiler möge "bleibende Denkanstöße für eine humane Zukunft geben".

Angehörige unter den Teilnehmern
Richter dankte allen, die an dem Konzept beteiligt waren. Neben Kilthau nannte der Verwaltungschef den städtischen Fachbereichsleiter Thomas Herborn, Franz Apfel von der Wählergemeinschaft "Bürger für Bensheim" und das Lorscher Design- und Kommunikationsbüro Bär und Krieger. Unter den Teilnehmern der Veranstaltung waren auch Angehörige des ermordeten Soldaten, der 1927 im nahen Ludwigshafen geboren wurde. Die beiden anderen sind unbekannt.
"Die Nachgeborenen sind nicht verantwortlich für diese Taten. Aber wir sind verantwortlich für das Heute und Morgen", betonte der Bensheimer Integrationsbeauftragte Manfred Forell. Ein Ende des Erinnerns, wie es heute aus bestimmten Ecken immer wieder gefordert werde, sei daher ignorant und gefährlich. Es sei vor allem der grassierende Rechtspopulismus, der "die Monster der Vergangenheit zu neuem Leben erweckt": Nationalismus, Rassismus und Hetze gegen Minderheiten bedrohen die Wurzeln der Demokratie, so Forell. "Demokratie braucht Demokraten." Kein Ding der Welt rechtfertige Hass und Diskriminierung.

"Billige Scheinlösungen"
"Die neue Rechte schürt Angst und bietet billige Scheinlösungen, die sie als Wille des Volkes verkaufen will." Forell zitierte Theodor W. Adorno: "Ich fürchte nicht die Rückkehr der Faschisten in der Maske der Faschisten, sondern die Rückkehr der Faschisten in der Maske der Demokraten." Musikalisch umrahmt wurde die Veranstaltung von der Flötengruppe der Musikschule Bensheim unter Leitung von Hannelore Schmanke. Es spielten Lorena Hanser und Johanna Meister.

Schrankenlose Willkür in den letzten Kriegstagen
In den letzten Kriegstagen zieht Major Erwin Helm eine Blutspur durch das untergehende "Dritte Reich". Das "Fliegende Standgericht" des als brutal und gewissenlos geltenden Wehrmachtsoffiziers verhängte im März und April 1945 mindestens 56 Todesurteile vor allem in Nordbayern, Böhmen und Südhessen, wo die Verfahren ihren Anfang nahmen.
Helm starb erst 1993 in Baden-Württemberg. In Freiheit. Denn seine Verhaftung wegen Kriegsverbrechen in der DDR im September 1953 wurde bereits drei Jahre später wieder wegen einer allgemeinen Amnestie aufgehoben. Auch der Haftbefehl in Westdeutschland wurde aus formaljuristischen Gründen fallengelassen, so Dr. Fritz Kilthau in seinen Ausführungen.
Je näher das Ende des Zweiten Weltkriegs rückte, desto fanatischer wüteten die Standgerichte. Die Todesstrafe wurde auch in Fällen verhängt, in denen sie als Strafmaß völlig überzogen war. Nicht selten ergingen Urteile bei unaufgeklärtem Sachverhalt nur aufgrund eines Verdachtsmoments. "Die Vorgehen entsprachen in keiner Weise den wenigen noch bestehenden Rechtsregeln", so Kilthau. Die Verhandlungen waren Scheinverfahren, die Urteile standen meist vorher fest. So auch in Bensheim im Fall Hans Richard Fuchs.
Er war bei seinem Tod 17 Jahre alt. Im Sommer 1944 wurde der Hitlerjunge zur Waffen-SS einberufen. Nach schwerer Erkrankung und eines Lazarett-Aufenthalts wollte sich Fuchs wieder seiner früheren Hitlerjugend-Einheit anschließen, die mittlerweile an der Bergstraße stationiert war. Die Bensheimer SS hat ihn entdeckt und in eine Auffangstelle gebracht. Von dort aus wurden Soldaten einer Militär-Einheit zugestellt. "Das zeigt, dass von Fahnenflucht bis dahin keine Rede sein konnte", so der Autor.
Sein Vater befand sich zu dieser Zeit beim Militär im nahen Rimbach. Als Fuchs mit dem Fahrrad dorthin fahren wollte, wurde ihm das wahrscheinlich als Fluchtversuch ausgelegt. Die Verhandlung fand in der Turnhalle des damaligen Gymnasiums statt (heute Kirchbergschule). Laut Augenzeugenberichten bewegten sich daraufhin 150 bis 200 Soldaten über die Dürerstraße zum Wasserwerk, um der Hinrichtung beizuwohnen. "Zur Abschreckung", wie sich später herausgestellt hat. Neben Fuchs wurden zwei weitere Soldaten erschossen, deren Identität bis heute nicht bekannt ist.
Laut Kilthau handelte es sich bei dem 17-Jährigen nach dem, was heute bekannt ist, nicht um einen Deserteur. Er starb durch militärische Willkürjustiz ohne ordentliche Rechtsprechung. tr

© Bergsträßer Anzeiger, Montag, 27.11.2017
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Selbstportrait von Hans Richard Fuchs, im Lazarett gezeichnet

  • Flötengruppe der städtischen Musikschule, Manfred Forell, Dr. Fritz Kilthau und Bürgermeister Rolf Richter