„Ghetto-Häuser" in Frankfurt
„Man dachte doch, dass man vielleicht wieder kommt..."
„Ghettohäuser" in Frankfurt - Zwingenberger Juden und ihre letzte Adresse
Die Frankfurter Buchautorin und Journalistin Renate Hebauf berichtet am Donnerstag, 4. Juni, über jüdische Familien, die ab Ende der 1930er Jahre in „Ghettohäusern“ in Frankfurt unter schwierigsten Bedingungen leben mussten. Der Vortrag beginnt um 19 Uhr im Saal des Alten Amtsgerichts.
Hebauf erläutert an Einzelschicksalen, wie die jüdischen Mitbürger ausgrenzt und ausgeplündert wurden, schließlich emigrierten oder in Konzentrationslager deportiert wurden: „Auschwitz hatte eine Vorgeschichte, die in meiner unmittelbaren Umgebung begonnen hatte.“ Durch Zufall fand die Journalistin heraus, dass das Haus in der Gaußstraße 14, in das sie als Studentin einzog, zwischen 1941 und 1944 eine von etwa 300 der letzten Wohnstätten der jüdischen Bürger war. Juden aus Frankfurt und Juden, die nach Frankfurt gezogen waren, wurden dort zwangsweise auf engstem Raum zusammengepfercht. Darunter auch einige Zwingenberger, die nach ihrer Vertreibung von der Bergstraße zunächst hofften, in Frankfurt Zuflucht finden zu können.
Renate Hebauf ging den Lebensspuren der Bewohnerinnen und Bewohner des Hauses im Nordend nach: Wer waren sie? Wo kamen sie her? Was war mit ihnen geschehen? Dabei stieß sie auch auf die Geschichte von Franziska Flörsheimer – sie war 1879 in Zwingenberg geboren. Ihr Vater Leopold Mainzer und seine Ehefrau Amalie betrieben in der Obergasse 24 eine Manufaktur- und Spezereiwarenhandlung. Sie heiratete den Frankfurter Kaufmann und Zigarettenfabrikanten Josef Flörsheimer, der zu einem unbekannten Zeitpunkt starb. 1939 zwangen die Nationalsozialisten Franziska Flörsheimer, ihr Wohnhaus an sogenannte Arier – „Nicht-Juden“ – zu verkaufen. Im September 1941 wurde sie dann zwangsweise in das „Ghettohaus“ Gaußstraße 14 eingewiesen. Krank, durch einen Schlaganfall teilweise gelähmt und gehbehindert, wurde sie schließlich im September 1942 ins Ghetto Theresienstadt verschleppt, wo sie nach kurzer Zeit starb.
Martha und Moritz Schack, die beiden letzten Zwingenberger Juden, zogen im Juni 1939 aus der Obergasse 3 nach Frankfurt in das „Ghettohaus“ Uhlandstraße 60 – von dort wurden am 15. September 1942 16 Personen deportiert. Martha beging bereits 1941 Suizid, Moritz wurde 1942 zunächst nach Theresienstadt und von dort nach Auschwitz verschleppt. Clara und Jakob Wolf aus der Obergasse 5 verzogen im Februar 1939 in die Frankfurter Elkenbachstraße 22, von dort nur wenige Tage später weiter in die Rotteckstraße 3, ebenfalls im Nordend. Am 24. September 1942 wurden sie zusammen mit 233 weiteren Juden aus Frankfurt über Berlin nach Raasiku (Estland) bei Tallin deportiert und dort ermordet.