Rede von Dr. Fritz Kilthau

Meine Damen und Herren,

1998 trafen sich einige Bürgerinnen und Bürger, um sich Gedanken über die Zukunft des Gebäudes der ehemaligen zweiten Zwingenberger Synagoge zu machen – die Initiatoren waren der Bensheimer Architekt Heinz Frassine und die damalige Studentin und heutige Historikerin Dr. Claudia Becker – tatkräftig unterstützt wurden sie von Bürgermeister Kurt Knapp. Die Synagoge wurde in der Reichspogromnacht zwar stark beschädigt, aber nicht zerstört und befindet sich seitdem im Privatbesitz. 1964 wurde an der Fassade fast alles, was das Gebäude als jüdisches Gotteshaus kennzeichnete, bei einem Umbau getilgt. Etliche Zwingenberger wissen deshalb noch heute überhaupt nicht, dass dieses Gebäude früher eine Synagoge war.

Am 1. Juni 1999 kam es dann zu Gründung unseres Vereins „Arbeitskreis Zwingenberger Synagoge“ – Claudia Becker übernahm den Vorsitz, den sie zwei Jahre später an Hanns Werner abgab und den ich schließlich im Jahr 2002 übernahm. Mitglieder des Vereins wurden auch die Stadt Zwingenberg, die Gemeinde Alsbach und der Kreis Bergstraße sowie die Kirchengemeinden aus Zwingenberg und Alsbach.
Unser Verein hatte konkrete Vorstellungen zur Nutzung der ehemaligen Synagoge und hoffte auf breite Unterstützung für einen Kauf des Gebäudes. Es gab viele Gespräche mit dem damaligen Bürgermeister Knapp - auch zusammen mit dem Besitzer des Synagogengebäudes -, mit Landrat Hofmann, auch Kontakte auf Landes- und sogar Bundesebene. Alle fanden unsere Ideen sehr gut, nur – Geld gab es nicht. Und so wurde die Nutzung des Gebäudes zurückgestellt und man konzentrierte sich auf weitere, wichtige Ziele des Vereins.

Ich möchte einige unserer bisherigen Aktivitäten kurz benennen:
- Mit elf Broschüren und Büchern, die unser Verein herausgab, erinnern wir an verfolgte Jüdinnen und Juden aus Zwingenberg, Bensheim und dem übrigen Kreis Bergstraße sowie an andere Opfer der Nazi-Herrschaft.
- Mit vielfältigen Veranstaltungen beleuchteten wir die lokale und überregionale Geschichte des Judentums und des Nationalsozialismus und erinnerten an die Verfolgung der Opfer der NS-Zeit. Zu diesen Themen haben wir auch insgesamt neun Bildvorträge erstellt, die wir zum Teil auch außerhalb Zwingenbergs vorstellen konnten. In diesem Zusammenhang möchte ich auch unser Theaterstück „Die Juden in Zwingenberg und an der Bergstraße“ nennen, das vom Schuldorf Bergstraße in Zwingenberg, Alsbach und Seeheim-Jugenheim aufgeführt wurde. Regelmäßig bieten wir personengeleitete Führungen zur NS-Geschichte in Zwingenberg an; wer mag, kann einen solchen Gedenkgang auch selbständig mit Hilfe unserer Smartphone-App durchführen. Für Konfirmanden und Firmlinge bieten wir Führungen zu den hiesigen Stolpersteinen und der Stolperschwelle vor dem Gebäude der ehemaligen Synagoge an.
- Wir organisierten geführte Besuche wie beispielsweise zur Gedenkstätte Hadamar, dem IG-Farben-Gebäude in Frankfurt, der Deportationsgedenkstätte in der Frankfurter Großmarkthalle, der Gedenkstätte KZ Osthofen, den Synagogen in Mannheim und Darmstadt und zu Orten des ehemaligen jüdischen Worms.
- Nach dem Auftreten neonazistischer Gruppen in Zwingenberg entwarfen wir eine „Zwingenberger Erklärung“ gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus, für Demokratie, Toleranz und Menschenwürde. Dieser Erklärung stimmten die Stadt Zwingenberg und die hiesigen Kirchengemeinden zu; andere Gemeinden im Kreis Bergstraße formulierten daraufhin ähnliche Erklärungen.
- Mit unserer Ausstellung „Migration in Südhessen – Region Bergstraße und Odenwald – vom 17. Jahrhundert bis 1945“ wollten wir gleichfalls einen Beitrag gegen Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus und für mehr Toleranz leisten.
- Etliche Nachfahren Zwingenberger Juden aus den USA, aus Israel und der Schweiz haben uns besucht. Wir konnten mit ihnen die Häuser ihrer Vorfahren und deren Grabstätten auf dem Alsbacher Judenfriedhof aufsuchen.
- Einige Veranstaltungen beleuchteten den heutigen Antisemitismus; beispielsweise luden wir Moritz Neumann, den Direktor des Landesverbands der Jüdischen Gemeinden in Hessen, zu einem Gespräch ein zum Thema „Wie Juden heute mit dem Antisemitismus leben“.
Zu all diesen Aktivitäten finden Sie – wenn Sie mögen - detaillierte Informationen auf der Webseite unseres Vereins.

Meine Damen und Herren, 25 Jahre Arbeitskreis Zwingenberger Synagoge - Wie geht es weiter? Im kommenden Jahr möchte ich den Vereinsvorsitz gerne an meine Stellvertreterin, Ulrike Jaspers, abgeben, die sich bei der kommenden Jahreshauptversammlung zur Wahl stellen wird. Sie und ihr Mann, Ulrich Kühnhold, übernehmen bereits jetzt viele Aufgaben im Verein. Wir alle im Vorstand würden uns die Mitarbeit weiterer aktiver Personen wünschen, insbesondere von jungen Menschen, um auch langfristig unsere Arbeit fortführen zu können - eventuell auch mit anderen Schwerpunkten. Diese Arbeit erscheint mir heute leider wichtiger als je zuvor. Die Erinnerung an den Nationalsozialismus und seine Opfer soll uns mahnen, aktiv gegen Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, für Demokratie, Toleranz und Menschenwürde einzutreten.
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