Kriegsende März 1945
Das Kriegsende 1945 in Zwingenberg und Umgebung
Veranstaltung des Arbeitskreises Zwingenberger Synagoge
26./27. März 1945: Deutsche Soldaten wollen im hessischen Ried, an der Bergstraße und im Odenwald die vorrückende US-Armee in einer für die Wehrmacht aussichtslosen Situation aufhalten. Die Amerikaner zerstören mit Bomben und Granaten Gefechtsstellungen und in der Umgebung liegende Häuser. Tiefflieger greifen an. Die Menschen haben große Angst, flüchten, verstecken sich. Einige wollen sich ergeben, werden aber von fanatischen Nationalsozialisten bedroht. Viele Menschen werden getötet und verwundet.
Der für Donnerstag, 29. Oktober 2020, geplante Bildvortrag mit Dr. Fritz Kilthau und Ulrike Jaspers vom Arbeitskreis Zwingenberger Synagoge wird auf 2021 verschoben. Zunächst wird Kilthau vom Rheinübergang der US-Amerikaner und der Eroberung einiger Orte im Ried, an der Bergstraße und im Odenwald berichten. Schwerpunkte sind neben Zwingenberg Einhausen, Lorsch, Bensheim und Heppenheim. Die jeweiligen militärischen Situationen kommen ebenso zur Sprache wie die Schrecken dieser letzten Kriegstage mit Toten, Verletzten und Zerstörung der Ortschaften. Dazu wird Kilthau auch aus erschütternden Erzählungen von überwiegend jungen Augenzeugen zitieren. So berichtete ein Junge aus Einhausen von der Bombardierung seines Elternhauses: Während er mit seiner Familie im Keller Schutz suchte, schlug eine Bombe ein und zerstörte teilweise den Keller – acht Menschen, darunter Mutter, Großmutter und Bruder, kamen ums Leben. Von dem gebürtigen Bensheimer und späteren Fuldaer Oberbürgermeister Wolfgang Hamberger gibt es einen Bericht, wie er als Jugendlicher durch das brennende bombardierte Bensheim lief und noch am gleichen Tag mit seiner Familie und anderen Menschen Schutz in dem Marmorbergwerk in Hochstädten suchte. Auch von mutigen Menschen, die mit ihren nicht ungefährlichen Aktionen wie dem Entfernen von Panzersperren zu einem schnellen Ende des Krieges beitrugen, wird in dem Vortrag gesprochen. Zudem wird Kilthau einige Verbrechen, die bei Kriegsende von den Nationalsozialisten in unserer Gegend verübt wurden, dokumentieren.
Im Anschluss an den Bildvortrag wird Ulrike Jaspers Passagen aus einem bemerkenswerten Zeitdokument lesen: Mitglieder der Familie Calvelli-Adorno, die 1943 von Frankfurt nach Zwingenberg gezogen waren, haben Tagebuchaufzeichnungen hinterlassen, in denen sie von ihren Begegnungen mit den Zwingenbergern in den letzten Kriegsjahren berichten und schildern, wie sie das Kriegsende und den Einzug der Amerikaner erlebt haben.
Im März 1945 war der Krieg in unserer Region zu Ende und damit auch die Macht der Nationalsozialisten gebrochen. Kurze Zeit später wurde ganz Deutschland befreit. Damit ging die Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten zu Ende, die politische Gegner und jüdische Bürger verfolgt und ermordet hatten. Die Bilanz des von den Nationalsozialisten ausgelösten Kriegs: Über 60 Millionen Tote, viele zerstörte Städte und Dörfer in Europa, besonders in Osteuropa.
Auch um den Neubeginn nach 1945 geht es an diesem Abend: Die Amerikaner suchten nach unbelasteten Antifaschisten, die sie beim Aufbau der Verwaltung einsetzen konnten, in sogenannten Spruchkammern werden nationalsozialistische Funktionäre zur Rechenschaft gezogen. Weitverbreitet war in der Bevölkerung die Einstellung, mit der „dunklen“ NS-Zeit möglichst schnell abzuschließen und „nach vorne“ zu schauen. So war es möglich, dass ehemalige NS-Aktivisten schon bald nach Kriegsende rehabilitiert und oftmals einflussreiche Posten in Politik und Wirtschaft erlangen konnten.
Der Verein Arbeitskreis Zwingenberger Synagoge hat all diese Informationen – auch die Tagebuchaufzeichnungen der Familie Calvelli-Adorno und zusätzlich die Schilderung der Befreiung weiterer Ortschaften wie Bürstadt, Lampertheim, Viernheim, Schwanheim, Lautertal und Gadernheim – in seiner Broschüre „Kriegsende 1945 – Zwingenberg an der Bergstraße und Umgebung“zusammengestellt (64 Seiten, 15 Abbildungen). Dr. Fritz Kilthau, der Autor der Broschüre: „Die Geschehnisse der NS-Zeit sollten – insbesondere der jüngeren Generation – in all ihren Details erzählt werden. Gerade in Zeiten, in denen rechte Kräfte immer stärker bemüht sind, diesen Teil unserer Geschichte zu verharmlosen und zu verdrängen.“