Familie Rosenfelder und Nachfahren

Verfolgt – ermordet – gerettet
Neue Broschüre über die jüdische Familie Rosenfelder aus Bensheim und ihrer Nachfahren in der NS-Zeit

Anfang 2021 erhielt Dr. Fritz Kilthau, Vorsitzender des Arbeitskreises Zwingenberger Synagoge und Autor einer Broschüre über die jüdische Bankiersfamilie Bauer aus Bensheim, Post aus England: Ein englischer Nachfahre der Bauers bat nicht nur um Zusendung der Broschüre, sondern überließ Kilthau auch Kopien von fast 200 amtlichen Dokumenten, Bildern und Briefen aus dem Nachlass der früheren Bensheimer Familie Rosenfelder – seine Ur-Ur-Großmutter Johanna Rosenfelder war die Schwester des Bankiers Julius Bauer. Nicht nur diese Dokumente, sondern viele weitere Unterlagen wie beispielsweise mehr als 1300 Dokumente aus den hessischen Staatsarchiven in Darmstadt und Wiesbaden führten schließlich dazu, eine umfangreiche Broschüre über die Familie Rosenfelder und Nachfahren (68 Seiten, 34 Abbildungen) zu erstellen.
Ihre Lebensgeschichten machen deutlich, wie die Nationalsozialisten jüdische Bürger schikanierten und verfolgten, ihnen ihr Vermögen abpressten, sie zur Emigration drängten oder sie letztlich in Konzentrationslagern um ihr Leben brachten:
Jakob und Johanna Rosenfelder betrieben in der Bensheimer Bahnhofstraße ein gut gehendes Geschäft für Manufakturwaren, bis die Schikanen der Nazis begannen. Von dem Boykott jüdischer Betriebe am 1. April 1933 waren auch die Rosenfelders betroffen, in der Reichspogromnacht 1938 wurde ihr Geschäft verwüstet und sie wurden zur „Judenvermögensabgabe“ genötigt. Mit der „Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben“ vom Januar 1939 wurde ihnen die Weiterführung ihres Gewerbebetriebs untersagt. Die Rosenfelders lebten ab diesem Zeitpunkt im Wesentlichen von Erspartem und dem Verkauf ihrer persönlichen Dinge wie Schmuck. Im März 1941 wurden sie gezwungen, zusammen mit weiteren Bensheimer Juden in ein „Judenhaus“ in der heutigen Straße „Am Bürgerhaus“ umzuziehen. Im September 1943 wurden Johanna und Jakob Rosenfelder nach Theresienstadt deportiert, von dort 1944 ins KZ Auschwitz, wo sie ermordet wurden.
Ihre Tochter Edda heiratete 1927 den erfolgreichen jüdischen Anwalt und Notar Dr. Max Jonas, mit dem sie zwei Kinder hatte. Dr. Jonas musste 1933 wegen Zurücknahme seiner Zulassung als Rechtsanwalt und Notar durch die Nationalsozialisten seine Essener Kanzlei aufgeben. Nach dem Umzug der Familie nach Berlin bereiteten sie die Emigration nach den USA vor. Die Nationalsozialisten verlangten daraufhin die Zahlung einer Reichsfluchtsteuer auf ein Sperrkonto. Das restliche Vermögen musste auf ein „Sicherungskonto“ eingezahlt werden, von dem die Familie monatlich nur über einen kleinen Betrag verfügen durfte. Im Januar 1943 wurde Dr. Max Jonas verhaftet und ins KZ Theresienstadt deportiert; dort starb er an Typhus. Seine Ehefrau Edda zog mit einem Freund der Familie nach Bayern und lebte dort unter falschem Namen bis zum Kriegsende. 1945 kehrte sie in ihre Geburtsstadt Bensheim in die Seminarstraße 4 zurück; leider war über ihr Leben in Bensheim bisher wenig in Erfahrung zu bringen. Aus vielen Dokumenten der hessischen Staatsarchive wird ersichtlich, wie schwierig, langwierig und zermürbend ihr Kampf um staatliche Unterstützung und finanzielle Entschädigung für das erlittene Unrecht war. Dabei ging es auch um Zahlungen für den Verlust ihrer Eltern und ihres Mannes und um Entschädigung für deren Geschäft bzw. Anwaltspraxis, die von den Nationalsozialisten geschlossen wurden.
Die Kinder Klaus und Gert Jonas – damals erst acht und elf Jahre alt – wurden im August 1939 mit einem „Kindertransport“ nach England in Sicherheit gebracht. Klaus schilderte später, wie sie ohne Kenntnis der fremden Sprache von ihnen unbekannten Menschen aufgenommen wurden. Mit ihren Eltern waren sie nur durch gelegentliche Briefe verbunden – eine schlimme, traumatisierende Situation, die Auswirkung auf ihr gesamtes weiteres Leben haben sollte.
Die Broschüre schildert detailliert die Lebensgeschichte von sechs jüdischen Menschen – sechs von etwa 500.000 Juden, die 1933 in Deutschland lebten und die ähnliche Schicksale in der Nazi-Zeit erleben mussten. Ihre Lebensgeschichten machen exemplarisch deutlich, mit welcher Menschenverachtung und Brutalität das nationalsozialistische Regime gezielt gegen die jüdischen Bürger vorgegangen ist.
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