Dreimal klauen und mit dem 'grünen' Winkel ins KZ

„Dreimal klauen und mit dem ‚grünen Winkel‘ ins KZ“
Prof. Frank Nonnenmacher spricht über das Schicksal der vermeintlichen „Asozialen" und "Berufsverbrecher" in der Nazi-Zeit

Sie gehören zu den bis heute oft verleugneten Opfern des Nazi-Regimes: die von den Nationalsozialisten sogenannten „Asozialen“ und „Berufsverbrecher“, deren Zahl auf mehr als 70.000 geschätzt wird. Zehntausende kamen in die Konzentrationslager, viele von ihnen wurden dort ermordet oder verhungerten. Der Frankfurter Prof. Frank Nonnenmacher, in den 1980er Jahren Lehrer an der Integrierten Gesamtschule in Alsbach-Hähnlein, setzt sich seit Jahren dafür ein, dass das Leid dieser Opfergruppe und ihrer Familien angekannt wird. Am 27. März (Donnerstag) spricht der Sozialwissenschaftler auf Einladung des Arbeitskreises Zwingenberger Synagoge zu diesem Thema. Der Vortrag mit anschließender Diskussion beginnt um 19 Uhr im Saal des Alten Amtsgerichts, Obertor 1.

Wen die Nazis als Arbeitsscheue und Kleinkriminelle abstempelten, die „genetisch verdorben“ und deshalb „auszumerzen seien“, waren oft Menschen, die nach der wirtschaftlichen Krise Ende der 1920er Jahre in Armut geraten waren, nur sporadisch Arbeit fanden und oft eine große Familie zu ernähren hatten. Sie waren straffällig geworden, saßen in der Regel ihre Haftstrafen ab. Doch danach wurden sie ohne einen richterlichen Beschluss in ein Konzentrationslager gebracht – gebrandmarkt mit einen Stoffdreieck mit einem grünen oder schwarzen Winkel auf der linken Brustseite. Die Kinder der deponierten Väter oder Mütter kamen häufig in Heime – und die meisten versuchten später ihre Kindheit zu verschweigen, auch weil sie Angst vor Diskriminierung in der bundesdeutschen Gesellschaft hatten.

Doch inzwischen haben sich Nachfahren auf ihre Spur begeben, 20 Personen berichten über ihre Recherchen in dem von Nonnenmacher herausgegebenen Buch „Die Nazis nannten sie ‚Asoziale‘ und ‚Berufsverbrecher‘“, erschienen 2024 im Campus Verlag. Über seinen Onkel hatte auch der Sozialwissenschaftler in den 1979er Jahren unmittelbaren Zugang zu einem der Opfer: „Onkel Ernst“ war in den Konzentrationslagern Flossenbürg und Sachsenhausen, wäre beinahe im Steinbruch umgekommen – nach der Diktion der Nazis „Vernichtung durch Arbeit“. Seine alleinerziehende Mutter konnte die zwei Söhne nur notdürftig ernähren, auch der Hunger machte ihn zum Dieb und Bettler. Nonnenmacher hat 2014 ein Buch über seinen Onkel und seinen Vater geschrieben: „DU hattest es besser als ICH – Zwei Brüder im 20. Jahrhundert“.

In seinem Vortrag in Zwingenberg wird er zudem zum Thema machen, warum der Deutsche Bundestag erst mit 75 Jahren Verspätung das Leid dieser Verfolgten des Nazi-Regimes anerkannt hat. Dabei geht es auch darum, ein Bewusstsein für die Mechanismen gesellschaftlicher Ausgrenzung zu wecken, die auch in der aktuellen Gesellschaft weiter existieren. Und er wird berichten, wie er und seine Mitstreiter weiter über diese verleugnete Opfergruppe aufklären wollen.

Jahreshauptversammlung des Arbeitskreises Zwingenberger Synagoge
Im Anschluss an den Vortrag von Prof. Nonnenmacher findet die öffentliche Mitgliederversammlung des Arbeitskreises Zwingenberger Synagoge statt. Auf der Tagesordnung stehen u.a. Rückblick auf die Veranstaltungen 2024/2025 sowie Neuwahl des gesamten Vorstands.
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