Reise in die jüdische Märchenwelt
Eine Reise in die jüdische Märchenwelt
Arbeitskreis Zwingenberger Synagoge e.V. und Zwingenberger Stadtbücherei laden ein
Voll hintergründiger Lebensweisheiten und getragen vom tiefen Glauben an eine höhere Gerechtigkeit eröffnen jüdische Märchen mannigfaltige Einblicke in die jüdische Kultur und Weltsicht. Beispielhaft ist das Märchen vom Wundersamen: Ein armer Jude stahl für seine Familie ein Brot. Ertappt und zum Tode verurteilt war sein letzter Wunsch, dem Sultan das Geheimnis vom Wundersamen anzuvertrauen: Über Nacht würde aus dem Wundersamen ein Granatapfelbaum wachsen, allerdings nur, wenn ein Mensch, der noch nie etwas gestohlen hat, den Samen in die Erde lege. Weder dem Ratgeber des Sultans, seinem Schatzmeister und schließlich dem Sultan selbst gelang das Wunder – allesamt hatten sie in ihrem Leben schon einmal gestohlen. Der Sultan schenkte daraufhin dem Juden sein Leben: „Ich sehe, dein größtes Geheimnis ist deine Weisheit. Deine Schuld sei dir verziehen“.
„Solche Märchen sind der Weisheitsschatz der Menschheit“, verdeutlicht die Märchenerzählerin Regina Haas-Sauer aus Wald-Amorbach, die am 24. Oktober 2007 ab 19:30 Uhr auf Einladung des Vereins „Arbeitskreis Zwingenberger Synagoge e.V.“ und der Zwingenberger Stadtbücherei in die jüdische Märchenwelt entführen wird. Aus dem großen Märchenschatz des jüdischen Volkes aus aller Welt hat die professionelle Erzählerin – sie wird von der „Europäischen Märchengesellschaft“ empfohlen - für diesen Erzählabend neben den Weisheitsgeschichten Legenden, Fabeln und klassische jüdische Märchen ausgewählt, die - so Regina Haas-Sauer – „sich eindrucksvoll ins Gedächtnis einprägen, wenn wir uns auf sie einlassen. Sie sind so aktuell wie in den alten Zeiten. Besonders die Gleichnisse sind eine Art universale spirituelle Sprache, die man nicht nur in den Sammlungen der Juden, sondern auch bei den Christen, Hindus, Moslems und Buddhisten findet“. Zu den Erzählungen kommt die Musik: Mariella Frank-Pieters, Bensheim, wird die jüdischen Märchen auf ihrer irischen Harfe musikalisch begleiten.
i Eine Reise in die jüdische Märchenwelt
mit der Märchenerzählerin Regina Haas-Sauer, Wald-Amorbach und der Harfenistin Mariella Frank-Pieters, Bensheim
Mittwoch, 24. Oktober 2007, 19:30 Uhr – Stadtbücherei Zwingenberg, Obergasse 2
Veranstalter: Arbeitskreis Zwingenberger Synagoge e.V. und Stadtbücherei Zwingenberg
Artikel des Bergsträßer Anzeiger vom 27. Oktober 2007
Wunderbare Geschichten voller Lebensweisheiten
STADTBÜCHEREI: Erzählerin Regina Haas-Sauer nahm zahlreiche Besucher mit auf eine "Reise in die jüdische Märchenwelt"
Zwingenberg. "Die wahren Schätze warten meist zu Hause im Verborgen auf uns." Mit diesen Worten beendete Regina Haas-Sauer ihre abenteuerliche "Reise in die jüdische Märchenwelt", auf der sie von zahlreichen Zuhörern in viele ferne Länder begleitet wurde. Von wundersamen Märchen und wunderbaren kleinen Geschichten und Gleichnissen, die in ihrer Einfachheit und klaren Sprache immer auch ein Stück Lebensweisheit widerspiegelten, berichtete die Märchenerzählerin am "Tag der Bibliotheken".
Die Resonanz auf die Einladung des Vereins Arbeitskreis Zwingenberger Synagoge und der Stadtbücherei war derart groß, dass aus einer benachbarten Gaststätte zusätzliche Stühle herbei geschafft werden mussten, um allen Besuchern eine Sitzgelegenheit zu bieten.
Es waren Kleine-Leute-Geschichten mit denen die professionelle Erzählerin die Besucher neunzig Minuten fesselte und in eine für sie fremde, nämlich die jüdische Welt entführte. Und immer ernteten am Ende nicht diejenigen Erfolg und Reichtum, die auf Kosten anderer versuchten ihr Glück zu schmieden, sondern die Männer und Frauen, die ihren gesunden Menschenverstand, ihren Glauben, ihre Verlässlichkeit, Liebe und Treue als wichtigstes Pfand in die Waagschale warfen. Die Pointe am Schluss eines jeden Märchens war klein und unspektakulär, dafür aber immer mit einer kräftigen Brise Humor und feiner Ironie gewürzt. Und sie zauberte stets ein Lächeln in die Gesichter der Märchenfreunde.
Die Wahrheit ist oftmals tief unten auf dem Grund eines Brunnens zu finden, zog Büchereileiterin Angelika Graf am Ende eines wunderschönen Abends ihr persönliches Resümee - und spielte dabei auf ein gerade gehörtes Märchen vom jungen Kaufmann und seiner liebreizenden Frau an. Selbst noch so prächtige Geschenke und Pretiosen des Königs und seines Hofstaates konnten die Gattin nicht vom rechten Weg abbringen. Stattdessen ersann sie eine feine List, um die selbst ernannten Verführer außer Gefecht zu setzen und zu beschämen.
Statt sie in das erhoffte Separee zu entführen, schubste sie die Möchtegern-Liebhaber in einen tiefen Brunnen, wo sie fortan Teppiche weben mussten. Weil sie aber ihre Haut retten und nicht unentwegt schuften wollten, blieb ihnen nichts anderes übrig, als dem Allerliebsten der Angebeteten wieder die Freiheit zu schenken und ihn aus dem Kerker zu entlassen.
Auch die Geschichte vom Propheten Elias, der einem armen Mann sieben glückliche Jahre und Reichtum versprach, führte letztendlich zu einem guten Ende - auch als der Geldsegen ausblieb. Schließlich hatte der Ehemann nicht, wie manch ein Lotto-Millionär, seinen ganzen Schatz verprasst, sondern stattdessen in Grund und Boden investiert. "Wie jeder kluge Mann hörte er auf den Rat seiner Frau", berichtete die Märchenerzählerin vom glücklichen Ausgang.
Anders als europäische Märchen sind jüdische Geschichten für Große und Kleine weniger grausam und weniger aufregend. Dafür sind sie oftmals humorvoll und hintergründig und sagen viel aus über Land, Leute und deren Kultur. Behutsam führen sie dem Zuhörer und Leser die wirklich wichtigen Dinge des Lebens vor Augen.
Dass es ein gelungener Abend wurde, war zum einen Regina Haas-Sauer und dem großen Märchenschatz des jüdischen Volkes zu verdanken, zum anderen der Harfenistin Mariella Frank-Pieters aus Bensheim. Sie sorgte mit ihrem sehr einfühlsamen Spiel in den kurzen Erzählpausen für ein zusätzliches Stimmungshoch.
Zu Beginn des Märchenabends, der gleichzeitig Auftakt der Veranstaltungsreihe "Zwingenberger Spätlese(r)" war, hatte der Vorsitzende des Arbeitskreises Zwingenberger Synagoge, Dr. Fritz Kilthau, die beiden Künstlerinnen persönlich vorgestellt. Namentlich hieß er unter den vielen Gästen Moritz Neumann, den Vorsitzenden des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinde Hessen willkommen. gs
Bergsträßer Anzeiger
27. Oktober 2007
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