"Synagogen in Südhessen"
Verwüstet, verbrannt, vergessen und verdrängt
Architekturhistorikerin Eva Reinhold-Postina erinnert beim Arbeitskreis Zwingenberger Synagoge an die ehemaligen Synagogen in Südhessen
Vor 1938 stand in fast jeder deutschen Gemeinde eine Synagoge. Viele von ihnen waren schöne, alte Bauwerke, mühsam von den meist nicht sehr wohlhabenden jüdischen Gemeinden zusammengespart. Im Gebiet des heutigen Kreises Bergstraße waren es fünfzehn jüdische Gotteshäuser: Die Gebäude von sechs ehemaligen Synagogen blieben erhalten – zum Teil mit großen Veränderungen - (Auerbach, Hirschhorn, Neckarsteinach, Reichenbach, Rimbach und Zwingenberg), die übrigen (Bensheim, Biblis, Birkenau, Bürstadt, Groß-Rohrheim, Heppenheim, Lampertheim, Lorsch und Viernheim) wurden von den Nationalsozialisten zerstört oder – meist nach „Arisierung“ – abgerissen bzw. im Krieg zerbombt.
Lange blieben die Synagogen in unserem Umfeld in Vergessenheit: In vielen Ortschroniken tauchten die Juden und ihre Geschichte nur am Rand auf. Hinweise auf die alten Synagogen – die ehemaligen Zentren des jüdischen Gemeindelebens - fehlten sehr oft. Eva Reinhold-Postina, Diplomingenieurin und Architekturhistorikerin aus Seeheim-Jugenheim, kümmert sich schon seit Jahren um die Historie und Baugeschichte der Synagogen in Südhessen und hat mit ihrer Arbeit sehr viel zur Erinnerung an die ehemaligen jüdischen Gemeinden in unserer Nachbarschaft beigetragen. In dem von ihr zusammen mit Moritz Neumann, dem Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde Darmstadts, herausgegeben „Darmstädter Synagogenbuch“ stellt sie sehr anschaulich mit vielen Bildern und Grundrissen die ehemaligen eindrucksvollen Synagogen von Darmstadt vor. Vom Ergebnis ihrer Suche nach alten Synagogen im Landkreis Darmstadt-Dieburg berichtet sie profund im Buch „L’chajim“, vom Archivpädagogen Dr. Thomas Lange am Hessischen Staatsarchiv Darmstadt herausgegeben.
Eva Reinhold-Postina wird am Dienstag, 22. Mai 2007, 19:30 Uhr im Evangelischen Gemeindehaus Alsbach, Bickenbacher Str. 27, zu Beginn der Jahreshauptversammlung des Vereins „Arbeitskreis Zwingenberger Synagoge“ in einem einstündigen Bildvortrag an die ehemaligen Synagogen in Südhessen erinnern. Im Anschluss wird der Vereinsvorsitzende Dr. Fritz Kilthau über die vielfältigen Aktivitäten im vergangenen Vereinsjahr berichten und die geplanten Veranstaltungen vorstellen. Die Wahl des neuen Vorstandes schließt sich an. Gäste sind sehr herzlich willkommen.
i „Verwüstet, verbrannt, vergessen und verdrängt – die ehemaligen Synagogen in Südhessen“
Bildvortrag von Eva Reinhold-Postina anlässlich der Jahreshauptversammlung des Vereins „Arbeitskreis Zwingenberger Synagoge“
Dienstag, 22. Mai 2007, 19:30 Uhr - Evangelisches Gemeindehaus Alsbach, Bickenbacher Str. 27
Artikel des Bergsträßer Anzeiger vom 25. April 2007
Von 15 Synagogen stehen nur noch sechs
VORTRAG: Eva Reinhold-Postina erinnerte an die jüdischen Gotteshäuser in der Region
Alsbach/Zwingenberg. Mehr als 490 jüdische Gotteshäuser gab es im Jahr 1890 im ehemaligen Großherzogtum Hessen-Darmstadt. 1938 waren es immerhin noch 360. In der verbrecherischen Pogromnacht vom 9./10. November 1938 fielen 145 Synagogen den Brandstiftern zum Opfer und wurden völlig zerstört. 59 weitere Gebäude wurden nach 1945 abgerissen.
Heute stehen in Südhessen noch 164 ehemalige Synagogen - oder was von ihnen übrig geblieben ist. Oftmals ist es nur noch ein Fenster oder eine einzige Wand. In vielen Fällen werden die früheren Gebetsräume als Kiosk, Kulturzentrum, Museum, Kino oder Wohnhaus genutzt. Kaum etwas deutet äußerlich noch darauf hin, dass es sich hier einmal um jüdische Gotteshäuser gehandelt hat.
In Rimbach im Odenwald wurde die 1840 erbaute Synagoge nach dem Zweiten Weltkrieg in eine katholische Kirche umgebaut und geweiht. Eine Besonderheit, wie Eva Reinhold-Postina bei ihrem sehr gut besuchten Bildvortrag "Verwüstet, verbrannt, vergessen und verdrängt" im Evangelischen Gemeindehaus in Alsbach den Zuhörern verriet. Die Darmstädter Architekturhistorikerin, Buchautorin und Fachjournalistin mit dem Schwerpunktthema Denkmalpflege sprach auf Einladung des Vereins Arbeitskreis Zwingenberger Synagoge und zeigte historisches Bildmaterial, teils aus ihrem Privatbesitz, teils aus Büchern und aus dem Internet.
Von den 15 Synagogen, die früher in der Bergsträßer Region standen, sind nach 1945 gerade einmal insgesamt sechs erhalten geblieben, und zwar in Auerbach, in Reichenbach, Rimbach, Zwingenberg, in Neckarsteinach und in Biblis. Letzteres Gebäude brannte dann 1981 ab. Als ein gelungenes Beispiel für eine optimale Sanierung, bezeichnete die Referentin den alten, aus dem Jahr 1779 stammenden Barockbau in der Auerbacher Bachgasse.
Die 1892 in Bensheim unterhalb des Kirchbergs an der Nibelungenstraße erbaute Synagoge wurde in den Jahren des Naziterrors so stark beschädigt, dass das Gebäude aus Klinkersteinen schließlich abgerissen werden musste. Heute steht an seiner Stelle, in unmittelbarer Nachbarschaft der Liebfrauenschule, ein eindrucksvolles Mahnmal. Eva Reinhold-Postina zeigte Fotografien des jüdischen Gotteshauses, das wie viele andere auch, eher einem Verwaltungsgebäude oder einer Schule ähnelte, denn einer Kirche: "Sein äußeres architektonisches Erscheinungsbild entsprach dem damaligen Zeitgeist."
Auch die frühere Synagoge in Heppenheim unterhalb der Starkenburg, die 1897 erbaut und ebenfalls 1938 zerstört wurde, zeigte typische Merkmale von Villen wie sie in Heppenheim und Bensheim heute noch stehen. Kein Wunder, so Frau Postina, schließlich wurde das Haus von den Brüdern Metzendorf erbaut.
In Lorsch und Birkenau gab es weitere Synagogen. Nur bei genauem Hinsehen waren die Kirchen von den Gebäuden in ihrer Nachbarschaft zu unterscheiden. Besonderes Merkmale waren Rundbogenfenster, die zweigeschossige Bauweise und im Inneren der goldene Sternenhimmel in der Kuppel, die Frauenempore und der Thoraschrank an zentraler Position.
Die orthodoxe Synagoge von Darmstadt verglich die Architekturhistorikerin gar ihrem Erscheinungsbild nach mit dem des Darmstädter Hauptbahnhofes und des Hallenbades. Alle drei Gebäude ähnelten einander. Noch eine Besonderheit: Die frühere Synagoge von Groß-Umstadt wurde im Hessenpark in Neu-Anspach wieder aufgebaut. gs
Bergsträßer Anzeiger
25. Mai 2007
Nicht nur die Homepage ist ein Erfolgsmodell
Arbeitskreis Zwingenberger Synagoge blickte auf ein Jahr mit vielen Aktivitäten zurück / Dr. Fritz Kilthau bleibt Vorsitzender
Zwingenberg/Alsbach. "Sie haben im vergangenen Jahr eine sehr erfolgreiche Arbeit geleistet." Dieses Kompliment von Stadtrat Wolfgang Becker und der Dank des Zwingenberger Magistrats an die Adresse des Vorstandes und insbesondere an den Ersten Vorsitzenden des Arbeitskreises Zwingenberger Synagoge, Dr. Fritz Kilthau, zeigte die hohe Wertschätzung, die der Verein und seine Repräsentanten in der Öffentlichkeit genießt.
Bei der Jahreshauptversammlung des Arbeitskreises im Evangelischen Gemeindehaus Alsbach brachte die Neuwahl des Vorstandes, die in offener Abstimmung und in allen Positionen einstimmig erfolgte, nur wenige Änderungen. Dekanin Ulrike Scherf und Renate Weber standen nicht mehr als Beisitzerinnen zur Verfügung. Ihnen dankte der Vorsitzende ganz besonders. Dass Dr. Kilthau zum Vorsitzenden wiedergewählt wurde, war alles andere als eine Überraschung.
In die Öffentlichkeit gehen
Nach einer Satzungsänderung ist nunmehr die Wahl von mehreren Zweiten Vorsitzenden möglich. Gewählt wurden in dieses Amt Hanns Werner und Dr. Claudia Becker. Schriftführerin bleibt Hannelore Schramm, Schatzmeister Harry Schramm, Kassenprüferin Patricia Preikschat. Beisitzer sind Wolfgang Becker, Steffi Beckmann, Heinz Frassine, Dr. Christoph Klock, Kurt Knapp, Nicole Rieskamp, Roswitha Zwecker und Ria Knaup. Die Regularien wie Kassenbericht, Bericht der Kassenprüferin und Entlastung des Vorstandes gingen einvernehmlich und schnell über die Bühne.
Zusammen mit den Mitgliedern blickte der Vorsitzende noch einmal auf die Veranstaltungen der vergangenen zwölf Monate zurück. Es war ein breit gefächertes Angebot an Informationen, Diskussionsveranstaltungen, Lesungen, Theateraufführungen und Fahrten, welches das Vereinsjahr 2006/2007 prägte. Mehr in die Öffentlichkeit gehen, Kinder, Jugendliche und Schulen einbinden - das hatte sich der Arbeitskreis vorgenommen und es auch umgesetzt.
Bei den Ferienspielen kochten Mitglieder gemeinsam mit Kindern orientalische Köstlichkeiten und luden anschließend Eltern und Geschwister zum gemeinsamen Probeessen ein. Gerade erst kürzlich hat sich Dr. Kilthau mit Firmlingen getroffen und ihnen von der Arbeit des Vereins und den Zielen berichtet, aber auch von den Juden, die einmal in Zwingenberg gewohnt haben. Mit den Konfirmanden soll es bald ein ähnliches Treffen geben.
Über die KZ-Außenanlage in den Stollen des Marmoritwerkes gab es im Vereinsjahr einen Bildvortrag und eine Veranstaltung zu dem in Zwingenberg geborenen Film- und Theaterschauspieler Theodor Loos. Ruth L. David aus Fränkisch-Krumbach, die heute in den USA lebt, las auf Einladung des Arbeitskreises aus ihren Erinnerungen "Kind aus unserer Zeit". Mit der Filmautorin Yvonne Menne gab es ebenfalls ein Treffen. Dabei führte die Künstlerin ihren Film "Lager der vergessenen Kinder" vor.
Ein Film wieder das Vergessen
Im Januar schließlich führten Schüler des Schuldorfes Bergstraße das von Kilthau mitverfasste Theaterstück "Juden in Zwingenberg und an der Bergstraße" im Theater Mobile auf. Mehr als vierhundert Besucher wurden bei drei Aufführungen gezählt. Demnächst soll es einen Videofilm über die gespielten Erinnerungen wider das Vergessen geben.
Dass der Arbeitskreis am Weihnachtsmarkt in der Zwingenberger Altstadt einen Stand hat, ist guter Brauch und soll beibehalten werden. Geplant ist auch eine erneute Beteiligung an den Ferienspielen. Die kulinarische Reise wird in diesem Jahr ans Mittelmeer führen. Ein Vorbereitungstreffen der freiwilligen Helfer ist am 31. Mai. Dr. Kilthau ist auf der Suche nach jüdischen Märchen, die er bei einem Vortrag am 24. Oktober vorstellen und lesen will.
Dass die Zwingenberger Erklärung gegen rechtsextreme Aktionen inzwischen mit ähnlichem Inhalt von anderen Bergstraßen- und Odenwaldgemeinden übernommen wurde, verzeichnete der Vorsitzende als Erfolg. Auch, dass auf der Website des Arbeitskreises Privatpersonen der Resolution ihre Zustimmung erteilen können. Überhaupt ist die Homepage ein Erfolgsmodell, das mittlerweile monatlich von 2700 Personen angeklickt wird. gs
Bergsträßer Anzeiger
25. Mai 2007
zurück