Kirche, Synagoge und Moschee
Kirche, Synagoge und Moschee - Über Grenzen hinweg...
Irith Gabriely, Hans-Joachim Dumeier und Riad Kheder fassen den Wunsch der Menschen nach Verständigung in Töne
Können Sie sich vorstellen, dass eine leicht und unbeschwert verspielte Klarinette mit einer stimmgewaltigen, kirchenerfüllenden Orgel wunderbar harmonisch und trotzdem spannungsreich zusammen spielen können? Wer die bisherigen Konzerte der Klarinettistin Irith Gabriely, „Queen of Klezmer“ aus Darmstadt, und Hans-Joachim Dumeier, Organist und Kantor der Stadtkirche in Michelstadt, mit dem Titel „Church meets Synagogue“ in der Zwingenberger Bergkirche erleben konnte, weiß, zu welch großartigem Erlebnis dies führen kann. Hinzu kommt allerdings, dass sich das musikalische Programm nicht nur auf jiddische Melodien beschränkte, sondern dass auch christlich-klassische Musikthemen in neuer überraschender Spannung präsentiert wurden. Die Kombination der beiden Musikinstrumente, wie sie die Künstler betreiben, führt zu einer unverwechselbaren Art, mit der sie musizieren und ihr Publikum in den Bann ziehen: Rhythmisch, temperamentvoll, virtuos und äußerst emotional.
Jetzt haben die beiden Musiker sich noch einen weiteren Perfektionisten hinzugeholt, um eine musikalische Triologie der drei Weltreligionen vorstellen zu können: Der Muslime Riad Kheder bringt mit der Bandir (Rahmentrommel), der Darabukka (Bechertrommel), dem Riqq (Tamburin) und der Oud, der arabischen Laute, arabisch-orientalische Klänge, aber auch afrikanische Rhythmen ins Spiel. Erstaunlich ist, welche Klangfarben und Melodien der außergewöhnliche Schlagzeuger auf den einzelnen Instrumenten erzeugen und harmonisch in das Spiel mit Klarinette und Orgel einfügen kann.
Diese musikalische Begegnung und Verständigung der Religionen, die Überwindung des Trennenden stehen im Mittelpunkt des neuen Musikprojekts „Kirche, Synagoge und Moschee – Über Grenzen hinweg“. In diesem Konzert werden Klezmermusik, klassische Musik, Werke jüdischer Komponisten und orientalische Klänge in eine äußerst reizvolle Spannung gestellt. Vieles wird von den drei Instrumentalisten improvisiert – selbst Choräle werden durch Improvisation so verändert, dass sich der Perkussionist und die Klarinettistin mühelos in das Spiel des Organisten einbringen.
Irith Gabriely, in Haifa geboren, gründete 1986 neben ihrer Tätigkeit als erste Klarinettistin am Staatstheater Darmstadt die Klezmergruppe "Colalaila", mit der sie seitdem in vielen Ländern Europas Konzerte gibt. 1991 wurde sie beim größten Klezmerfestival in Zefat (Israel) mit dem 1. Preis ausgezeichnet.
Als "Queen of Klezmer" nahm sie mit „Colalaila“ auf dem Edingborough Festival 1998 eine weitere besondere Auszeichnung entgegen. Mittlerweile hat sie ihr Repertoire enorm erweitert: Besonders erwähnt seien die Konzerte mit dem eigenwilligen und unorthodoxen Akkordeonisten Martin Wagner („La Dama y el Vagabundo“) und ihrem Pianisten, Komponisten und Arrangeur Peter Przystaniak.
Hans Joachim Dumeier studierte Orgel bei dem Pariser Organisten Daniel Roth. Seit 1986 ist er Kantor an der evangelischen Stadtkirche Michelstadt und konzertiert in vielen Ländern Europas sowie in den USA. Neben der künstlerischen Leitung der Michelstädter Musiknächte gilt sein besonderes Augenmerk der jüdischen Musik und Kultur. Er ist Referent des “Center of Jewish Culture and Creativity" in Los Angeles.
Riad Kheder, in Bagdad geboren, verbindet in seinen Kompositionen orientalische und europäische Stilelemente mit afrikanischen Rhythmen bis hin zum Jazz und Klassik. Seine Musik ist ein Transfer zwischen den Weltkulturen, die er seit 1990 in verschiedenen Formationen und als Solomusiker zur heutigen Ausdrucksform entwickelt hat.
i Konzert „Kirche, Synagoge und Mosche – Über Grenzen hinweg“
mit Irith Gabriely (Klarinette), Hans-Joachim Dumeier (Orgel) und Riad Kheder (Percussion)
Sonntag, 3. Juli 2005, 17 Uhr (Einlass 16 Uhr)
Evangelische Bergkirche Zwingenberg
Veranstalter: Arbeitskreis Zwingenberger Synagoge e.V., Evangelische Kirchengemeinde Alsbach und Zwingenberg, Katholische Pfarrgemeinde Zwingenberg
Kartenverkauf: Monis Laden, Auerbacher Bücherkiste, Evangelisches und Katholisches Pfarramt Zwingenberg (12.-€)
Kartenreservierung: Tel. 06251-72171
Ein harmonischer Grenzsprung der KulturenBergkirche war Schauplatz einer genialen musikalischen Verschmelzung / Dialog von Kirche, Synagoge und Moschee
Zwingenberg. Einen Blues auf der Kirchenorgel, arabische Rhythmen zu Bachs Barock. Musikalische Stil-Verschmelzungen ziehen einem entweder die Socken aus oder gehen direkt in die Beine. Letzteres geschah am Sonntag in der evangelischen Bergkirche, wo kulturelle, religiöse und musikalische Absperrungen von drei virtuosen Künstlern außer Betrieb gesetzt wurden.
Das Konzert mit Irith Gabriely, Riad Kheder und Hans-Joachim Dumeier war ein harmonischer Brückenschlag "Über Grenzen hinweg", so der Titel des Programms, zu dem der Arbeitskreis Synagoge gemeinsam mit den evangelischen Kirchengemeinden Zwingenberg und Alsbach sowie der katholischen Pfarrgemeinde eingeladen hatte. "Gemeinsam Traditionen feiern", begrüßte Hausherr Bernhard Dienst, Pfarrer der örtlichen Protestanten, die Gäste in der hervorragend besuchten Bergkirche, deren brillante Akustik auf eine harte Probe gestellt wurde.
Betagte Dame abgetastet
"Alles, was Odem hat, lobe den Herrn", steht auf der alten Orgel der Zwingenberger Bergkirche. 175 Jahre lang hat das Instrument durchgehalten und jetzt ist eine Restaurierung fällig. "So schlimm klingt die gar nicht", meinte Irith Gabriely und hatte natürlich recht. Die sensible Kraft, mit der Hans-Joachim Dumeier die betagte Dame abgetastet hat, war ein hoch beeindruckendes Erlebnis, dem sich die Besucher gern aussetzten - selbst dann, wenn das Konzert bisweilen auch die Grenzen handelsüblicher Hörgewohnheiten eingerissen hat.
Das Kitzeln lag genau in dieser klanglichen Fülle des kulturellen Beschnupperns, das rasch zu einem heftigen Umarmen wurde. Die emotionale Tiefe von Irith Gabrielys Klarinette geht direkt ins Herz, die authentische Darbietung von chassidischen Volksliedern und schnörkellosem Klezmer haben die Künstlerin aus Haifa schnell in die erste Garde aufrücken lassen. Die Schülerin des großen Giora Feidman beherrscht ihr Instrument mit einer Leichtigkeit, die sich ohne Berührungsängste und mit einer gesunden Frechheit mit den vielartigsten musikalischen Formen paaren kann.
Die verschlungenen Wurzeln des Arabischen und Hebräischen hörte das Publikum bei den traditionellen orientalischen Liedern, die durch Riad Kheders glänzende improvisatorische Percussion geadelt wurden: Kheder entlockte den Instrumenten ein Ächzen und Jauchzen und trieb den musikalischen Spannungsbogen in eine vehemente Dynamik hinauf, in die Gabrielys Klarinette (oder Saxophon) mühelos mitmarschierte.
Die Orgelklänge von Hans-Joachim Dumeier arrangierten sich mühelos mit der arabisch-jüdischen Liaison, was in der Bergkirche durchaus für gelegentliches Staunen sorgte. Dumeier klebte nicht an überlieferten Akkordfolgen, sondern ließ seinen Fingern freien Lauf und improvisatorische Autarkie, die in einer mitreißenden Spontaneität gipfelte, welche man von ehrwürdigen Orgeln kaum zu spüren bekommt. Dumeier schafft es, chorale Strenge und angejazzte Frivolität so zu vereinen, dass auch mal ein Blues über die Empore schwappt. Die "Jüdische Hochzeit" war ein tänzerischer Gefühlsausbruch, die sephardischen Melodien und Segenslieder ("Für den Regen") mündeten in einer grandiosen "Improvisation für den Frieden auf der Welt", die niemanden im Publikum unberührt ließ.
Eine brillante Idee hervorragend umgesetzt. "Kirche, Synagoge und Moschee" war ein Festival der kulturellen und religiösen Offenheit mit hochklassigen Instrumentalisten, die nicht in den Hohlwegen etablierter Genregrenzen fahren. Ein virtuoser Grenzsprung, der in Zwingenberg hoffentlich Folgen haben wird. tr
© Bergsträßer Anzeiger - 05.07.2005
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