Judentum kennen lernen

Judentum kennen lernen
Vortrag mit kleinem koscheren Snack beim Arbeitskreis Zwingenberger Synagoge

Vieles in der Geschichte der Menschheit mag auf Zufall beruhen, Wenn aber ein Volk wie die Juden seit Jahrtausenden existiert, meist ohne eigenes Land, immer wieder blutig verfolgt und wenn es dabei weder vital noch geistig erschlafft, sondern immer wieder neue Geistesströmungen entstehen, die einen Großteil der heutigen „zivilisierten“ Welt mit erfassen, dann kann von Zufall nicht mehr die Rede sein.
Die Geschichte des jüdischen Volkes, die bis zum Auszug der Israeliten aus Ägypten zurück verfolgt werden kann, steht im Zusammenhang mit dem Glauben an eine göttliche Offenbarung und mit der Verpflichtung des Volkes gegenüber dem Willen ihres Gottes. Diese enge Beziehung zwischen Religion und Volkszugehörigkeit verleiht der jüdischen Religion ihren einzigartigen Charakter. Nicht nur das geschriebene Gesetz, die Bibel (Pentateuch genannt), sondern auch das ebenso verbindliche mündliche Gesetz, die „Mischna“, bestimmt seit fast 3000 Jahren das jüdische Leben. Bis zur schriftlichen Fassung der Mishna vor etwa 1900 Jahren wurde diese von den Nachfolgern des Moses über Generationen hinweg durch die jüdischen Rabbiner mündlich übermittelt.

Welche Aufgabe haben „Rabbiner“, welche Bedeutung haben „ Mischna“ und „Thora“, wie feierten die jüdischen Gemeinden früher ihren „Sabbat“, wie feiern sie heute ihre Feiertage? Was heißt das eigentlich:„Koscheres Essen“? Welche Gemeinsamkeiten zeichnen die drei großen Religionen, Judentum, Christentum und Islam noch heute aus?

Vom 15. Jahrhundert an bis unter den Nationalsozialisten im Jahr 1939, also rund 500 Jahre, lebten Juden in Zwingenberg. Sie lebten hier friedlich zusammen mit ihren christlichen Nachbarn. Seit der Zerstörung der Zwingenberger jüdischen Gemeinde in der NS-Zeit wird das Wissen über die jüdische Religion, die jüdische Gemeinde, den Alltag ihrer Gemeindemitglieder und ihre Religionsausübung – wenn überhaupt - nur noch bruchstückweise vermittelt.

Konkrete Antworten auf alle Fragen bezüglich des gelebten Judentums – heute wie auch früher in Zwingenberg - bietet die Veranstaltung „Judentum kennen lernen“ des Arbeitskreises Zwingenberger Synagoge e.V. am Donnerstag, 13. Oktober 2011 ab 19:00 Uhr in Zwingenberg im Gemeindezentrum der katholischen Kirchengemeinde, Heidelberger Straße 18. Frau Dr. Esther Graf und Frau Manja Altenburg von der Mannheimer Agentur für jüdische Kulturvermittlung, werden äußerst fachkundig, aber trotzdem sehr spannend Details zu diesem Thema berichten. Ergänzt wird ihr Vortrag durch ein kleines koscheres (für die Juden „reines“) Buffet, das in der Pause angeboten wird.

Der Besuch der etwa 2 ½ stündigen Abendveranstaltung ist kostenfrei; Spenden sind willkommen.
Interessierte werden bis zum 9. Oktober 2011 um Anmeldung unter der Telefonnummer 06251 – 72171 oder unter der Email-Adresse info@arbeitskreis-zwingenberger-synagoge.de gebeten.

i Vortrag „Judentum kennen lernen“
Veranstalter: Arbeitskreis Zwingenberger Synagoge e.V.
Referentinnen: Frau Dr. Esther Graf und Frau Manja Altenburg (Agentur für jüdische Kulturvermittlung Mannheim/Heidelberg)
Donnerstag, 13. Oktober 2011, 19:00 Uhr - Gemeindezentrum der katholischen Kirchengemeinde Zwingenberg, Heidelberger Straße 18

Artikel des "Bergsträßer Anzeiger" vom 18. Oktober 2011

Thora, Talmud und Sabbat
Arbeitskreis Synagoge: Zwei Referentinnen aus Mannheim gaben einen Einblick in jüdische Alltagskultur

Zwingenberg. Einen interessanten Einblick in jüdische Alltagskultur ermöglichte der Arbeitskreis Zwingenberger Synagoge. Im Gemeindezentrum der Katholischen Pfarrgemeinde Mariä Himmelfahrt hatte er zum Vortragsabend "Judentum kennenlernen" eingeladen und damit eine große Zuhörerschar angelockt. Als Referentinnen waren Dr. Esther Graf und Manja Altenburg aus Mannheim gekommen. Sie haben es sich mit ihrer Agentur für jüdische Kulturvermittlung zur Aufgabe gemacht, jüdische Geschichte, Alltagskultur, Künste und Religion erlebbar zu machen. In Zwingenberg ist ihnen das sowohl mit ihrem interaktiven Vortrag als auch mit dem kleinen koscheren Büfett in der Pause bestens gelungen. Anhand von verschiedenen Objekten, die sie mitgebracht hatten, und der koscheren Speisen und Getränke wurde das Gehörte auch begreifbar.

Nur noch wenige Details bekannt
Fritz Kilthau vom Arbeitskreis hatte zunächst daran erinnert, dass es früher in Zwingenberg eine aktive jüdische Gemeinde gab und noch 1932 im "Bergsträßer Boten" auf die jüdischen Feste regelmäßig hingewiesen wurde. Selbst die Kinder wussten damals, dass Juden am Samstag in die Kirche gehen. Mit dem Nationalsozialismus habe sich das geändert und im Juli 1933 "endete die Geschichte der Zwingenberger Juden", so Kilthau (Es müßte Juli 1939 heißen; zu diesem Zeitpunkt zogen die letzten beiden Juden aus Zwingenberg fort - F. Kilthau). Heute seien Details aus dem jüdischen Leben kaum noch bekannt.

Eine Religion des Tuns
"Das wichtigste Thorastudium ist jenes, das zu Taten führt", lautet ein Zitat aus dem Talmud, das bezeichnend für das Judentum insgesamt ist. "Es ist eine Religion des Tuns, in der es wichtig ist, sich in die Gemeinschaft einzubringen", so Dr. Ester Graf. 613 Gebote seien im Talmud, der Enzyklopädie jüdischen Wissens, aufgeführt. Ebenso viele Kerne habe ein perfekter Granatapfel, was ihn zu einem wichtigen Symbol des Judentums mache.
Grundlage des Judentums sei die Thora. Sie beinhalte die gesamte jüdische Bibel inklusive der Prophetenbücher und der Schriften. Die Thorarolle muss auf Pergament, das von koscheren Tieren stammt, handgeschrieben sein. Dafür benötigt ein Schreiber etwa ein Jahr.
Anleitung für die praktische Umsetzung der Gebote gibt der "Schulchan Aruch" (gedeckter Tisch), der im 16. Jahrhundert entstand, um die damals sehr unterschiedlichen Auslegungen zu vereinheitlichen. Allerdings reicht das Spektrum der Auslegungen auch heute noch von der strengen orthodoxen Haltung bis zur liberalen, eher lockeren Auslegung, wiesen die Referentinnen darauf hin, dass anders als im Katholizismus das Judentum pluralistisch ist. Jede Gemeinde entscheide für sich selbst, welchen Gottesdienst sie praktiziere.

Ähnlich ist das auch beim koscheren Essen, dem obersten Gebot des Judentums. Hauptmerkmal ist die Trennung von Milchigem und Fleischigem ("Du darfst das Böcklein nicht in der Milch seiner Mutter kochen"). Sinn der Regel ist die körperliche und geistige Reinheit, die Erziehung zum bewussten Essen, das sich nicht von Gelüsten leiten lässt. So sollte es für Milchiges oder Fleischiges auch jeweils gesondertes Geschirr geben und nach dem Verzehr von Fleisch gewartet werden, bis etwas Milchiges gegessen wird. Hier liegt der Spielraum zwischen einer und sechs Stunden.

Ein Aal ist nicht koscher
Milchig ist jedes Produkt, das Milch enthält oder mit Milchprodukten zubereitet wurde. Koschere Tiere sind Wiederkäuer und Paarhufer (Schaf, Kuh, Ziege), alle Vögel außer Raubvögel und Fische mit Flossen und Schuppen. Ein Aal gehört beispielsweise nicht dazu. Zusätzlich muss ein Tier auch koscher geschlachtet werden, das heißt, es muss ausbluten.
Interessant waren auch die Erläuterungen zu den verschiedenen Festtagen. So ist der Sabbat mehr als nur ein Ruhetag, er ist der älteste biblische Feiertag, der von Freitagabend bis Samstagabend dazu dient, sich von allen Alltagsdingen zu befreien und auf das Wesentliche zu besinnen.
Fester Bestandteil im Judentum ist die Wohltätigkeit (Zedaka), deren Vernachlässigung als Sünde angesehen wird. Dabei gelte es auch zu beachten, dass der Empfänger nicht beschämt wird und dass man so viel gebe, wie man könne, ohne sich selbst in Not zu bringen.
Das religiöse Jahr, das vom jüdischen Kalender bestimmt wird, hat 13 Monate und beginnt im September/Oktober mit dem Neujahrstag. Gerechnet wird seit Beginn der Schöpfung im Jahr 3760, so dass der jüdische Kalender inzwischen das Jahr 5772 zählt, da das neue Jahr bereits begonnen hat. js

Bergsträßer Anzeiger
18. Oktober 2011
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