„Ghetto-Häuser" in Frankfurt

„Man dachte doch, dass man vielleicht wieder kommt..."
„Ghettohäuser" in Frankfurt – Zwingenberger Juden und ihre letzte Adresse

Die Frankfurter Buchautorin und Journalistin Renate Hebauf berichtete am Donnerstag, 5. Mai, über jüdische Familien, die ab Ende der 1930er Jahre in „Ghettohäusern“ in Frankfurt unter schwierigsten Bedingungen leben mussten. Darunter waren auch zwei Zwingenberger Ehepaare, Martha und Moritz Schack sowie Clara und Jakob Wolf, die nach ihrer Vertreibung von der Bergstraße nach Frankfurt geflüchtet waren.
Die Journalistin erläuterte an Einzelschicksalen, wie die jüdischen Mitbürger ausgrenzt und ausgeplündert wurden, schließlich emigrierten oder in Konzentrationslager deportiert wurden: „Auschwitz hatte eine Vorgeschichte, die in meiner unmittelbaren Umgebung begonnen hatte.“ Durch Zufall fand Renate Hebauf heraus, dass das Haus in der Gaußstraße 14, in das sie bereits als Studentin einzog, zwischen 1941 und 1944 eines von etwa 300 Frankfurter ‚Ghettohäusern‘ war. Diese Häuser gehörten Juden, die über ihr Eigentum nicht mehr verfügen durften. Die NS-Behörden missbrauchten sie, um dort Jüdinnen und Juden getrennt von den nicht-jüdischen Nachbarn zwangsweise auf engstem Raum zusammenzupferchen, bevor sie in die Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert wurden. Dazu zählten auch Juden aus dem weiteren Umland – wie die Zwingenberger. Sie hofften noch Ende der 1930er Jahre, in der Anonymität der Mainmetropole unbehelligter leben und neue Existenz- und Emigrationsmöglichkeiten finden zu können.

Renate Hebauf ging den Lebensspuren der Bewohnerinnen und Bewohner des Hauses im Nordend nach: Wer waren sie? Wo kamen sie her? Was war mit ihnen geschehen? Dabei stieß sie auch auf die Geschichte von Franziska Flörsheimer – sie war 1879 in Zwingenberg geboren. Ihre Eltern Leopold und Amalie Mainzer betrieben in der Obergasse 24 eine Manufaktur- und Spezereiwarenhandlung. Franziska Flörsheimer heiratete den Frankfurter Kaufmann und Zigarettenfabrikanten Josef Flörsheimer, der zu einem unbekannten Zeitpunkt starb. 1939 zwangen die Nationalsozialisten Franziska Flörsheimer, ihr Wohnhaus in der Neumannstraße 36 an sogenannte „Arier“ – „Nicht-Juden“ – zu verkaufen. Im September 1941 wurde sie dann zwangsweise in das „Ghettohaus“ Gaußstraße 14 eingewiesen. Krank, durch einen Schlaganfall teilweise gelähmt und gehbehindert, wurde sie schließlich am 15. September 1942 ins Ghetto Theresienstadt verschleppt, wo sie am 17. Dezember 1942 ums Leben kam.

Clara und Jakob Wolf aus der Zwingenberger Obergasse 5 zogen im Februar 1939 in die Frankfurter Elkenbachstraße 22, von dort nur wenige Tage später weiter in die Rotteckstraße 3, ebenfalls im Nordend. Von dort wurden sie am 24. September 1942 zusammen mit 233 weiteren Juden aus Frankfurt über Berlin nach Raasiku (Estland) bei Tallin deportiert und vermutlich in den Dünen bei Kalevi-Liivi erschossen. Martha und Moritz Schack waren die letzten Juden, die Zwingenberg während des Naziterrors verlassen mussten – so wurde es im Melderegister der Stadt Zwingenberg vermerkt. Von der Obergasse 3 zogen sie in das Frankfurter „Ghettohaus“, Uhlandstraße 60. Martha beging bereits 1941 Suizid; Moritz wurde 1942 zunächst nach Theresienstadt und von dort nach Auschwitz verschleppt und ermordet.

Nach dem Vortrag findet die öffentliche Jahreshauptversammlung des Vereins „Arbeitskreis Zwingenberger Synagoge e.V.“ statt.
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